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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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hatte er die Klugheit, nicht allzu gravitätisch aufzutreten, sondern
     mit der Frische und Selbstironie eines wachen Geistes. Sein Vortrag über »Die menschliche Komödie« Balzacs war frei von hypotaktischen
     Satzgebilden, indes angenehm präzise im Ausdruck, durch allerlei Scherze und scheinbar spontane Nebenbemerkungen aufgelockert,
     so dass der Applaus, in den hinein er sich auf bescheidene Weise verbeugte, laut und nachhaltig erschallte.
    Sein Büro war mittlerweile vollständig eingerichtet, durch das offene Fenster drang mildes Licht. Karl-Heinz Wettering war
     allein und verspürte erstmals, da er auch die zunächst befristete Einstellung seiner drei wissenschaftlichen Mitarbeiter und
     einer Sekretärin zu seiner Zufriedenheit bewerkstelligt hatte (sie würden nächste Woche beginnen), ein vages Gefühl der Leere,
     das sich oftmals zeigt, wenn die Dinge nach einer Zeit des Trubels zur scheinbaren Makellosigkeit sich fügen und Sorgenfreiheit
     einfordern.
    Jetzt könnte er sich eigentlich mal wieder an seinen Aufsatz über Flaubert setzen, und tatsächlich bewegte sich Wettering
     an seinen Schreibtisch, zog seine Lesebrille aus der Schublade und wollte soeben das bereits Geschriebene überfliegen, als
     jemand an die Tür seines Büros klopfte.
    »Ah, Frau Kirchmann … von den Kunsthistorikern, richtig, kommen Sie herein.«
    Wie alt mochte sie sein? Wettering schätzte sie mit einem |162| unauffälligen Blick auf vielleicht Mitte dreißig, Junior-Professorin. Er hatte sie im Anschluss an seine Antrittsvorlesung
     kurz kennengelernt. Während sie nebeneinander am Buffet standen, kommentierte sie seinen Vortrag mit nur einem Wort: »Wunderbar!«
     Das hat unserem Romanistikprofessor, wie jeder leicht begreift, gefallen. Auch hatte er bereits das eine oder andere über
     sie von seinen Kollegen erfahren, allerdings eher nichtssagend Zotiges, ihr Aussehen betreffende Anmerkungen, die ohnehin
     auf der Hand lagen, da Annette Kirchmann, recht klein und schlank von Gestalt, mit ihrem eindrucksvoll ebenen, von tiefschwarzen
     Haaren umrahmten Gesicht von elfenhafter Schönheit war. Annette Kirchmann sei, erinnerte sich Wettering seinen Kollegen Meierwitz,
     begleitet von einem hässlichen Lachen, sagen, lebhafter, als man zunächst dächte.
    Sie sei gekommen, sagte Annette Kirchmann, da sie ihm, Wettering, einen Vorschlag zu unterbreiten habe. Ob er nicht Lust habe,
     gemeinsam mit ihr, nicht sofort, aber irgendwann einmal, eine interdisziplinäre Tagung zu veranstalten. Sie habe seinen ungemein
     inspirierenden Aufsatz zu Stendhal gelesen, kürzlich erst, und in einigen, ihr bedeutend erscheinenden Fußnoten seien ihr
     dabei kunsthistorische Verweise aufgefallen – und da sie sich wiederum für den französischen Realismus seit je sehr begeistere,
     warum sich da nicht sozusagen gegenseitig befruchten? Der Titel der Veranstaltung könne zum Beispiel »Stendhal und die Malerei«
     heißen.
    Wettering, der keineswegs die Neigung hatte, sich sogleich festzulegen, sagte: »Sehr interessant!« Und nach einer Pause, |163| in der die Verlegenheit, keiner von beiden wusste recht, warum, ziemlich groß war, fügte er hinzu: »Setzen Sie sich doch!«
    Man sprach also über Stendhal, vor allem über »Die Kartause von Parma«, die Wetterings fester Überzeugung nach das beste Werk
     des Dichters überhaupt sei. Die meisten seiner Kollegen verkennen, sagte Wettering, wenn sie behaupteten, dass dem Werk zuviel
     Schmachtendes, Kitschiges und ganz und gar Unwahrscheinliches anhafte, dass Stendhal Derartiges niemals aus Unbeholfenheit
     erdichtet habe, sondern es sich dabei um ein raffiniertes Spiel mit Schmachtendem, Kitschigem und ganz und gar Unwahrscheinlichem
     handele. Annette Kirchmann, indem sie den einen oder anderen Aspekt von Wetterings Ausführungen noch ergänzte, stimmte im
     Großen und Ganzen lebhaft zu und fragte schließlich, ob er die Freundlichkeit habe, ihr etwas zu trinken anzubieten. Sie habe
     Durst.
    Wettering, der die anfängliche Schüchternheit längst überwunden hatte, sagte, und dabei deutete er auf einen kleinen Büroschrank,
     es sei nur Champagner im Hause. Er sagte noch, es sei schon 18 Uhr und sozusagen Dienstschluss. Zu seiner Überraschung, er
     hatte mit zumindest leichtem Widerstand gerechnet und sich bereits eine Überredungsreplik erdacht, erwiderte Annette Kirchmann:
     »Wunderbar!«
    Drei Tage später schritt sie erneut durch die langen Flure der Universität, abermals befand

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