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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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unseren Kaffeerunden nach den Sitzungen. Sie sind nach den letzten beiden Treffen ziemlich schnell weggerannt. Dachten Sie, Sie wären nicht eingeladen? Nein, lassen Sie es mich anders ausdrücken: Was für ein
Gefühl haben Sie im gegenwärtigen Moment bezüglich einer Runde Kaffee nach diesem Treffen?«
    »Nein, ich bin es nicht gewöhnt, so viel zu reden – ich muss mich erst mal erholen. Wenn die Sitzung zu Ende ist, bin ich sehr froh darüber, dass mein Tagewerk erledigt ist.«
    Julius schaute auf seine Armbanduhr. »Wir müssen Schluss machen – haben schon überzogen. Philip, ich vergesse meine Vereinbarung mit Ihnen nicht. Sie haben Ihren Teil erfüllt. Ich werde meinen beim nächsten Treffen erfüllen.«

»Unseren Wünschen ein Ziel zu stecken, unsere
Begierden im Zaune zu halten, unsern Zorn zu bändigen,
stets eingedenk, daß dem einzelnen nur ein unendlich
kleiner Teil alles Wünschenswerten erreichbar ist . . .« Ref 101
27
    Nach der Sitzung versammelte sich die Gruppe für etwa eine Dreiviertelstunde in ihrem Stammcafé in der Union Street. Da Philip nicht anwesend war, redeten die anderen nicht über ihn. Ebenso wenig setzten sie die Erörterung der Themen fort, die bei dem Treffen zur Sprache gekommen waren. Stattdessen lauschten sie mit Interesse Pams lebhafter Schilderung ihrer Indienreise. Bonnie und Rebecca waren fasziniert von Vijay, ihrem faszinierenden, mysteriösen, nach Zimt duftenden Weggefährten, und ermutigten sie, auf seine zahlreichen Emails zu antworten. Gill war beschwingt, dankte allen für ihre Unterstützung und meinte, er wolle sich mit Julius treffen, ernsthaft abstinent werden und den AA beitreten. Er bedankte sich bei Pam für ihr wertvolles Feedback.
    »Ein Hoch auf Pam«, sagte Tony. »Da hat die Lady der aggressiven Liebe wieder zugeschlagen.«
    Pam kehrte in ihre Eigentumswohnung in den Hügeln von Berkeley gleich oberhalb der Universität zurück. Sie beglückwünschte sich oft dazu, dass sie so vernünftig gewesen war, sie zu behalten, als sie Earl heiratete. Vielleicht hatte sie unbewusst geahnt, dass sie sie noch einmal brauchen würde. Sie liebte die hellen Holzböden in jedem Raum, ihre kleinen tibetanischen Teppiche und das warme Licht der Sonne, das am
späten Nachmittag ins Wohnzimmer fiel. Mit einem Glas Prosecco setzte sie sich auf ihre Terrasse und schaute zu, wie die Sonne hinter San Francisco unterging.
    Gedanken an die Gruppe wirbelten ihr im Kopf herum. Sie dachte daran, wie Tony das Kostüm des Gruppenblödmanns abgelegt und Philip mit chirurgischer Präzision gezeigt hatte, wie wenig ihm sein eigenes Verhalten klar war. Das war zum Schreien gewesen. Sie wünschte, sie hätte es auf Band aufgenommen. Tony war ein ungeschliffener Diamant – Stück für Stück wurde sichtbar, wie er funkelte. Und seine Bemerkung über ihre »aggressive Liebe«? Hatte er oder sonst jemand gespürt, wie sehr das Aggressive in ihrer Reaktion auf Gill überwog? Sich an Gill auszulassen, war ein großes Vergnügen gewesen, nur leicht gemindert dadurch, dass sie ihm damit geholfen hatte. »Oberster Gerichtshof« hatte er sie genannt. Na ja, wenigstens besaß er den Mumm, es auszusprechen – aber dann hatte er versucht, es rückgängig zu machen, indem er ihr ein schleimiges Kompliment machte.
    Sie erinnerte sich daran, wie sie Gill zum ersten Mal gesehen und sich vorübergehend von seiner körperlichen Präsenz angezogen gefühlt hatte, von den unter seiner Weste und Jacke schwellenden Muskeln, und daran, wie schnell er sie enttäuscht hatte – durch seine feigen Verrenkungen, weil er jedem gefallen wollte, und sein Gejammer, seinem endlosen Gejammer über Rose, seine frigide, willensstarke, neunzigpfündige Rose, die, wie sich jetzt herausstellte, so viel Verstand hatte, sich nicht von einem Säufer schwängern zu lassen.
    Nach nur wenigen Treffen hatte auch Gill seinen Platz in der langen Reihe männlicher Versager in ihrem Leben eingenommen, angefangen mit ihrem Vater, der seinen juristischen Abschluss ungenutzt ließ, weil er den Konkurrenzkampf unter Anwälten scheute und sich mit einer sicheren Position im Staatsdienst begnügte, wo er Sekretärinnen im Schreiben von Geschäftsbriefen unterrichtete und dann nicht einmal die Kraft hatte, sich gegen die Lungenentzündung zu wehren, die
ihn umbrachte, noch ehe er seine Pension beziehen konnte. Nach ihm kam Aaron, ihr aknegesichtiger, schlappschwänziger Highschool-Freund, der Swarthmore sausen ließ, um weiter daheim

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