Die Schopenhauer-Kur
genickt wurde, fuhr Stuart fort: »Bei einem Treffen zeigte Bonnie starke Reaktionen darauf, dass Rebecca Philip anmachte.« Stuart hielt inne, schaute Rebecca an und fügte ein: »Dass Rebecca ihn vermeintlich anmachte. Bonnie
hat an ihren Gefühlen über ihr Bild von sich selbst gearbeitet, ihrem Gefühl, unattraktiv zu sein.«
»Und unbeholfen und unfähig, mit Frauen wie Ihnen, Pam, und Rebecca zu konkurrieren«, sagte Bonnie.
»Während Sie weg waren«, meinte Rebecca, »hat Philip etliche konstruktive Bemerkungen gemacht.«
»Aber nichts über sich selbst verraten«, sagte Tony.
»Eine Sache noch: Gill hatte einen ernsthaften Streit mit seiner Frau – wäre sogar fast ausgezogen«, sagte Stuart.
»Loben Sie mich nicht zu sehr – das war Geschwafel. Ein Entschluss, der ungefähr vier Stunden überdauerte«, sagte Gill.
»Eine gute Zusammenfassung«, sagte Julius und schaute auf seine Uhr. »Ehe wir aufhören, möchte ich Sie fragen, Pam, wie Sie jetzt damit klarkommen – fühlen Sie sich wieder zu uns gehörig?«
»Es kommt mir immer noch unwirklich vor. Ich versuche, am Ball zu bleiben, aber ich bin froh, wenn wir jetzt Schluss machen. Mehr schaffe ich heute nicht«, sagte Pam und suchte ihre Sachen zusammen.
»Ich muss noch was sagen«, sagte Bonnie. »Ich habe Angst. Sie wissen alle, dass ich diese Gruppe liebe, und ich habe den Eindruck, dass sie kurz davor steht, zu explodieren und auseinanderzubrechen. Sehen wir uns alle wieder? Was ist mit Ihnen, Pam? Und mit Ihnen, Philip? Kommen Sie das nächste Mal?«
»Eine direkte Frage«, erwiderte Philip rasch. »Ich werde entsprechend antworten. Julius hat mich eingeladen, sechs Monate lang an der Gruppe teilzunehmen, und ich habe eingewilligt. Außerdem hat er sich verpflichtet, mich zu supervisieren. Ich habe vor, meine Rechnung zu bezahlen und meinen Vertrag einzuhalten. Ich steige nicht aus.«
»Und Sie, Pam?«, wollte Bonnie wissen.
Pam stand auf. »Mehr schaffe ich heute nicht.«
Während die Gruppenmitglieder hinausgingen, hörte Julius
einige erwähnen, sie wollten noch Kaffee trinken gehen. Wie sollte das funktionieren?, fragte er sich. Würde man Philip dazu einladen? Er hatte ihnen allen oft gesagt, dass Treffen außerhalb der regulären Zusammenkünfte zur Uneinigkeit führen könnten, wenn nicht jeder eingeschlossen wäre. Dann bemerkte er, dass Philip und Pam in einem Kollisionskurs auf die Tür zustrebten. Das wird interessant, dachte er. Philip war dasselbe aufgefallen, und da er sah, dass der Ausgang zu schmal für zwei war, blieb er stehen, murmelte leise: »Bitte« und trat ein Stück zurück, damit Pam als Erste hindurchgehen konnte. Sie stolzierte hinaus, als ob er unsichtbar wäre.
»Wenn ich mein Geheimnis verschweige, ist es mein
Gefangener: lasse ich es entschlüpfen, bin ich sein
Gefangener. Am Baume des Schweigens hängt seine Frucht,
der Friede.« Ref 76
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Bonnies Sorge bezüglich der Gruppe erwies sich als unbegründet: Beim nächsten Treffen waren nicht nur alle anwesend, sondern sogar zu früh da – bis auf Philip, der um Punkt halb fünf hereinkam und Platz nahm.
Ein kurzes Schweigen zu Beginn einer Gruppentherapiesitzung ist nicht ungewöhnlich. Die Mitglieder lernen schnell, ein Treffen nicht nach Lust und Laune zu eröffnen, weil dem ersten Sprecher meistens das Schicksal beschieden ist, viel Aufmerksamkeit zu genießen. Aber Philip, ungehobelt wie immer, wartete nicht ab. Jeden Blickkontakt vermeidend, fing er mit seiner leidenschaftslosen, geisterhaften Stimme zu sprechen an.
»Der Bericht unserer zurückgekehrten Teilnehmerin letzte Woche –«
»Die Pam heißt«, unterbrach Tony.
Philip nickte, ohne aufzuschauen. »Pams Beschreibung meiner Liste war unvollständig. Es war mehr als eine simple Aufzählung der Frauen, mit denen ich in dem Monat Sex hatte; sie enthielt nicht nur Namen, sondern auch Telefonnummern –«
»Ach, Telefonnummern!«, warf Pam ein. »Entschuldigung – dann ist ja alles in Ordnung!«
Ungerührt fuhr Philip fort: »Außerdem enthielt die Liste
eine kurze Schilderung der sexuellen Präferenzen jeder einzelnen Frau.«
»Sexuelle Präferenzen?«, fragte Tony.
»Ja, was jede Frau beim Geschlechtsakt besonders schätzt. Hat es gern von hinten zum Beispiel . . . Neunundsechzig . . . langes Vorspiel erforderlich . . . mit ausgiebiger Rückenmassage beginnen . . . Massageöl . . . steht aufs Hinternversohlen . . . auf Brustlutschen . . . fährt auf Handschellen ab . . . lässt
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