Die schottische Braut
sie längst vergessen, und beobachtete, wie die Sonne langsam unterging, ohne dass sich ihr Gemahl blicken ließ. Er war vor Stunden aufgebrochen, und niemand wusste, wohin er geritten war oder wann er zurückkommen wollte.
Falls er zurückkommen wollte.
Sie hörte, wie hinter ihr die Tür geöffnet wurde. Sie hoffte, dass es Sin wäre, und drehte sich um, nur um Aelfa mit betrübter Miene eintreten zu sehen. »Er ist noch nicht zurück, Mylady.«
So also würde ihr Eheleben beginnen. In ihrer Hochzeitsnacht allein gelassen. Das ließ nichts Gutes für die Zukunft ahnen, wenn er ihr ausgerechnet heute schon so wenig Achtung erwies.
Callie sah auf den Ring an ihrem Finger. Als sie ihn zuerst gesehen hatte, hatte sie gehofft, dass sie glücklich werden konnten. Dass er vielleicht wirklich willens war, sie an seinem Leben teilhaben zu lassen.
Sie war wirklich eine Närrin.
»Er könnte immer noch heimkehren«, bemerkte Aelfa in einem Versuch, sie zu trösten.
Callie aß lustlos etwas von den Gerichten vor sich, die sie gehofft hatte, mit ihrem Gemahl zu teilen. Und jetzt saß sie alleine hier, starrte auf sein leeres Essbrett ihr gegenüber und wurde wütend. Dies war ihre Hochzeitsnacht! Wie konnte er es wagen, sie so zu behandeln?
Je länger sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie. Sie war ihm gegenüber stets herzlich und freundlich gewesen, hatte ihm Respekt gezollt, und er befand es noch nicht einmal für nötig, sich in seiner Hochzeitsnacht zum Abendessen einzufinden?
Nun, sie war kein bedeutungsloser Niemand. Es war eine Sache, Zeit für sich allein zu brauchen, aber etwas völlig anderes, in Selbstmitleid zu waten und es ihr zu überlassen, sich Sorgen zu machen, ob ihm etwas zugestoßen war, wann und ob überhaupt es ihm angebracht schien, zu ihr zurückzukehren.
Bei allen Heiligen im Himmel, sie würde keine Minute länger hier sitzen bleiben und sich so unwichtig und unerwünscht vorkommen. Wenn er sie nicht wollte, bitte sehr. Sie jedenfalls würde nicht den Rest ihres Lebens damit verbringen, ihm Freude zu bereiten, wenn es offensichtlich war, dass er überhaupt keine Freude haben wollte.
»Wo ist Simon?«, fragte sie Aelfa.
»Mit Jamie in seinem Zimmer.«
»Könntest du wohl eine kleine Weile auf Jamie aufpassen und Simon bitten, zu mir zu kommen?«
Aelfa sah etwas verwirrt aus, zögerte aber mit ihrer Antwort nicht. »Aye, Mylady. Gerne.«
Nachdem die Magd verschwunden war, stand Callie auf, wusch sich rasch das Gesicht und brachte ihr Äußeres in Ordnung.
Es dauerte nicht lange, bis Simon erschien, dennoch gelang es ihr, in der Zeit zwei Becher Wein zu leeren.
»Kann ich Euch behilflich sein, Mylady?«
»Aye, Simon. Ich höre von unten Musik, und da mein Gemahl es für angebracht hält, mich zu ignorieren, würde ich mich sehr freuen, wenn Ihr mich in die Halle geleiten würdet, wo ich meine Hochzeitsnacht zu genießen gedenke.«
Sie bemerkte sein Zögern.
»Bitte, Simon. Anderenfalls werde ich einfach nur hier herumsitzen und so böse werden, dass ich ihm am Ende etwas antue, sollte er schließlich doch noch heimkommen.«
Da musste er lachen. »Das würde ich gerne sehen.«
Trotzdem tat er, worum sie ihn gebeten hatte.
Callie beschloss, aus dieser Nacht das Beste zu machen. So trank sie in der Halle reichlich von dem süßen Wein und tanzte mit Simon zu der lustigen Musik, bis ihr ganz schwindelig war.
Sin betrat die Kammer seiner Gemahlin und verharrte mitten im Schritt. Sie war nirgends zu sehen. Auf dem Tisch am Fenster standen, kaum angerührt, erkaltete Speisen.
Wo war sie?
Stirnrunzelnd schaute er sich um und versuchte zu erkennen, in welcher Stimmung sie gewesen sein mochte, als sie gegangen war.
Sicherlich würde sie keinen weiteren Fluchtversuch unternehmen, nachdem sie nun verheiratet waren. Sie hatte ihm gesagt, sie würde auf ihn warten.
Die Vorstellung, dass sie vor ihm geflohen war, schmerzte, und das so stark, dass er einen Augenblick lang keine Luft bekam. Er hatte bis zu diesem Moment nicht begriffen, wie sehr er sich darauf gefreut hatte, sie zu sehen, sie bei seiner Ankunft hier vorzufinden, ein Begrüßungslächeln auf den Lippen.
Verblüfft von dieser Erkenntnis ging er nach unten in die Halle, um Simon zu suchen und zu erfahren, ob er etwas über ihren Verbleib wusste.
In der Halle herrschte dichtes Gedränge. Musik, Stimmengewirr und Lachen füllten die Luft. Paare tanzten in der Mitte, während andere in Gruppen an der Seite standen oder
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