Die schottische Lady
mit dir, Shawna. Wenn du nicht gehorchst, lege ich dich übers Knie. Vielleicht stürzt die ganze Mine ein. Bevor wir uns da hineinwagen, müssen wir erst mal die Wände abstützen. Von der Bergwerksarbeit verstehst du nichts.«
»Aber ich weiß, dass der kleine junge bald ersticken wird. Und deshalb müssen wir ihn befreien.« Die Zähne zusammengebissen, krallte sie sich an einem Felsvorsprung fest und zog ihren Knöchel aus Gawains Hand.
Während das Echo seines Fluchs verhallte, hielt sie inne, weil Danny mit jemand anderem sprach.
»Aye!« Zu ihrer Verblüffung ertönte kindliches Gelächter. »Aye!«
»Danny?« wisperte sie.
»Ich reite auf dem Tierchen!«
»Nein, Danny ... «
»Hören Sie das Wasser nicht?«
»O Gott, Danny!« rief sie erschrocken, und das Gelächter entfernte sich. Wasser schien gegen einen Felsen zu schlagen. »Danny!«
Keine Antwort. Der Junge war in der Dunkelheit verschwunden, vom Sauerstoffmangel um den Verstand gebracht, in einen unterirdischen Bach gefallen ...
»O nein, um Himmels willen, nein!« stöhnte sie entsetzt. Dann stockte ihr Atem. jemand war ihr gefolgt und umfasste ihren Knöchel. Verzweifelt wehrte sie sich. » Lass mich los! Danny!«
Nichts. Unerbittlich wurde sie aus dem schmalen Tunnel gezerrt. Rauhes Gestein zerriss ihr Kleid, doch sie nahm es kaum wahr.
Den Tränen nahe, sank sie am Ausgang des Schachts in einen Schutthaufen. Starke Hände halfen ihr auf die Beine, und sie starrte in Alistairs geschwärztes Gesicht. Nur an den blauen Augen erkannte sie ihn. »Der junge ... « , flüsterte sie.
»Pst!« Liebevoll drückte er sie an seine Brust.
Außerhalb der Mine erklang lautes Geschrei, es drang gedämpft in die Welt unter Tage.
»Und was nun?« hörte sie Gawain fragen.
»Alistair ... « , begann Lowell.
»Keine Angst, ich habe meine Kusine gerettet.«
»Aber wir dürfen nicht gehen!« protestierte sie.
»Wir können nichts mehr tun, Shawna«, seufzte Alistair.
Energisch schob er sie vor sich her, an der Einsturzselle vorbei.
Ein Bergarbeiter rannte ihnen entgegen. »Kommen Sie, schnell! Da draußen ist der kleine Danny Anderson!«
»Was?« schrie Gawain.
»Ja, es stimmt! Der Junge lebt!«
»Wie ist das möglich?« wisperte Shawna.
»Das weiß nur der Allmächtige«, erwiderte der Bergmann.
Sie rannte ins Freie. Ein paar Schritte vom Ausgang entfernt, kniete Mark Menzies neben dem zitternden Kind im Gras. Mehrere Leute umringten die beiden. Verwundert musterten sie den kleinen Danny.
In eine Decke gewickelt, schaute er sich um. Das kleine Gesicht war unter der schwarzen Staubschicht fast unkenntlich, sein Haar klebte klatschnaß am Kopf.
Auch Shawna sank vor ihm in die Knie. »O Danny, du lebst!« rief sie überglücklich, strich ihm die feuchten Strähnen aus der Stirn und umarmte ihn. »Wie bist du herausgekommen?«
»Da war ein Tierchen, das mir geholfen hat.«
Ein Becher mit heißer Milch wurde in ihre Hand gedrückt, und sie hielt ihn an die blau verfärbten Lippen des kleinen Jungen.
Nachdem er einen großen Schluck genommen hatte, ließ sein Zittern ein wenig nach. Ihr Entschluß stand fest. Nie wieder würde er ins Bergwerk gehen, ebenso wenig wie die anderen Kinder. Zum Teufel mit der Wirtschaftslage von Schottland, Großbritannien und dem Rest der Welt.
Er trank den Becher leer, und eine Hand griff danach. Als Shawna den Kopf hob, sah sie Gena Anderson neben sich stehen.
Angeblich war Danny der Bruder des Mädchens, der Sohn von Fergus und Charity Anderson. Aber Shawna hielt Gena für seine Mutter. Und ihr sollte sie ihn überlassen. Aber es schien der jungen Frau nichts auszumachen, dass ihre Herrin sich um ihn kümmerte.
»Was für ein Tierchen hat dich aus dem Tunnel geführt, Danny?« fragte Mark Menzies.
»Das Tierchen, das in der Höhle wohnt«, erklärte der Junge, als wäre das ganz natürlich. »Es hörte mich weinen und sagte, ich soll mit ihm gehen. Dann hob es mich hoch. Es ist ein großes Tierchen.«
»Spukt's in diesem Schacht?« rief Charity Anderson erschrocken. Einen Schal über dem grauen Haar, bahnte sie sich einen Weg durch die Menge, kniete neben Shawna nieder und entriss ihr den Jungen, der sich erfolglos gegen ihre heftige Umarmung wehrte.
Obwohl sie hübsche Kinder geboren hatte, war sie nie attraktiv gewesen. In ihrem langen Pferdegesicht blinzelten glanzlose graublaue Augen. Früher hatte sie schönes Haar, aber sie pflegte es nicht mehr. Wild zerzaust hing es auf ihre Schultern.
Ihr
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