Die schottische Lady
umherzuhuschen.
Sie wußte, wo Davids Grab lag. Vielleicht noch zehn Schritte ... Als sie das Eisengitter erreichte, blieb sie eine Zeitlang stehen und lauschte. Dann betrat sie das Gewölbe. Im schwachen flackernden Kerzenschein sah sie den Deckel neben dem Sarg liegen. Nur mühsam unterdrückte sie einen Schrei, wandte sich zum Ausgang, um die Flucht zu ergreifen, und ließ die Lichtputzschere fallen.
Aber da presste sich schon eine kraftvolle Hand auf ihren Mund und ein starker Arm zog sie zu den Toten zurück.
»Was zum Teufel machst du hier?« fragte eine vertraute Stimme, und Shawna seufzte erleichtert. » Wie oft habe ich dich vor der Gefahr gewarnt, die dir droht? Sabrina wurde entführt! Und du schleichst hier herunter, mitten in der Nacht!«
David, dachte sie leicht benommen. Gott sei Dank David. Er ließ sie los. Die Kerze immer noch in der Hand, wandte sie sich zu ihm. »Vorhin war ich in der Halle. Alistair hatte etwas gehört ... «
»Schon wieder dieser verdammte Alistair! Hat er dich in die Gruft geschickt?«
»Nein, er ist unschuldig.«
»So wie immer«, spottete David.
»Glaub mir, er weiß nicht, wo ich bin. Ich konnte nicht schlafen und ... «
»Weil du mich vermisst hast.«
»Sei nicht albern. Du treibst mich allmählich in den Wahnsinn, gehst durch Wände, tauchst auf oder auch nicht, verbringst die Nächte bei mir, verschwindest im Morgennebel ... «
»So benehmen sich alle Geister«, unterbrach David sie und schaute wieder in den Sarg. Ärgerlich fügte er hinzu: »Du dürftest nicht hier sein.«
»Aber ich habe auch etwas gehört.«
»Und deshalb wolltest du feststellen, was los ist? Offensichtlich kann man dich keine Sekunde lang allein lassen. Ein Geräusch beunruhigt dich, und schon muss t du in die Krypta laufen, ohne Waffen ... «
»Oh, ich bin nicht unbewaffnet. Ich habe eine Lichtputzschere mitgebracht. Die ließ ich fallen, weil du mich fast zu Tode erschreckt hast.«
»Was für eine wirkungsvolle Waffe!« spottete er.
»Immerhin ist sie aus Messing und schwer. Wenn ich damit auf deinen Kopf schlage, wirst du's sicher spüren.«
»Warum bist du nicht in deinem Zimmer geblieben, wo du hingehörst? Gerade jetzt, da so viel passiert ... «
»Vor deiner Rückkehr aus dem Totenreich ist gar nichts geschehen.«
»Nun, ich bin zurückgekehrt, und bedauerlicherweise habe ich hier zu tun.« Er benutzte ihre Kerze, um seine Laterne anzuzünden. Dann blies er die Kerze aus, ging um den Sarg herum und beleuchtete den Toten. Ihr Magen drehte sich um.
»O Gott, David, was machst du da?« wisperte sie.
»Ich versuche herauszufinden, wer dieser Mann war«, erklärte er und warf ihr einen kurzen Blick zu. »Wahrscheinlich der Sträfling, unter dessen Namen ich harte Arbeit leisten muss te.«
»Du warst ein Sträfling?«
»Ja. Falls das tatsächlich Collum MacDonalds Leiche ist, will ich die erforderlichen Nachforschungen anstellen, um zu erfahren, warum ich mit ihm vertauscht wurde.«
»Aber er ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.«
»Vielleicht trägt er einen Ring oder ein Amulett.«
Shawna erschauerte. Obwohl fünf Jahre verstrichen waren, schienen die sterblichen Überreste im Sarg* immer noch den Geruch verbrannten Fleisches zu verströmen.
»Bitte, David, dieser Tote kann dir nichts mehr verraten. «
»Wie nett! Er trägt meinen besten Kilt.«
»Natürlich, weil wir dachten, das wärst du«, erwiderte sie mit bebender Stimme.
»Seltsam, dass dieses verkohlte Etwas so sorgfältig angezogen wurde ... «
Plötzlich ging er zu ihr und packte ihre Handgelenke. »Das alles ergibt keinen Sinn. Was geschah, als wir beide die Besinnung verloren und das Feuer ausbrach? Irgend jemand wünschte meinen Tod. Und jemand anderer wollte den Eindruck erwecken, ich wäre gestorben. Du wurdest gerettet, mich schickte man auf ein Sträflingsschiff.«
Verwirrt und ärgerlich schüttelte er den Kopf, während er das Rätsel zu ergründen suchte.
Sie riss sich los und wich zum Eisengitter zurück. »Mehr kann ich dir wirklich nicht erzählen. Nach der Feuersbrunst fand mich Gawain und ... «
»Gawain! Und er erkannte mich sofort - in der verkohlten Leiche, die an deiner Seite lag?«
»Weil ich unentwegt schrie und deinen Namen rief. Deshalb nahm er vermutlich an, du müss test es sein.«
Ein schwaches Lächeln umspielte Davids Lippen. »Und dann?«
»Was glaubst du wohl? Ich hatte einen Schock erlitten und bekam ein Beruhigungsmittel. Aber ich wußte, dass du tot warst. Wir
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