Die schottische Lady
Licht. Die beiden Männer hatten eine Laterne mitgebracht, und sie sah David hinter einer vermummten Gestalt zur Treppe la u fen, die zum Friedhof führte.
Erschrocken schrie sie auf, als eine Hand ihre Schulter umfass te, und drehte sich um. Ein Messer spiegelte den trüben Lampenschein wider. Mit aller Kraft bekämpfte sie den Angreifer. Da er verletzt war, konnte sie ihn beinahe abwehren. Blut tropfte von der Hand, die sie mit dem scharfen Stahl bedrohte. Offenbar hatte ihn das Gefecht mit David geschwächt, denn die Klinge verfehlte ihre Schulter und stieß gegen die Steinmauer.
Doch dann schwang das Messer erneut hoch.
Schreiend versuchte Shawna, die eisenharten Finger von ihrem Arm zu lösen. Das Gesicht ihres Gegners sah sie nicht, da er einen Umhang mit Kapuze trug, und sie konnte es nicht enthüllen.
Diesmal zielte das Messer auf ihr Herz. In letzter Sekunde wurde die Hand weggerissen, die es festhielt, und David schleuderte den Mann zu Boden. Während Shawna nach Atem rang, sah sie die andere Gestalt von der Treppe zurückkehren und stieß einen Warnschrei aus.
Aber der Vermummte wollte nicht kämpfen, sondern fliehen. Er stürmte an ihr vorbei, löschte die Laterne und eilte im Dunkeln die Stufen hinauf, die zur Kapelle führten. Wieder knallten Schüsse.
In wilder Panik sank Shawna zu Boden und versuchte, in einen Korridor zu kriechen. Neben ihr flammte ein Streichholz auf, und sie schnappte erschrocken nach Luft.
»Schon gut, ich bin's.«
David!
»Oh, ich dachte, sie hätten dich erschossen!« schluchzte sie und schlang die Arme um seinen Hals.
»Und ich hatte Angst, der Schurke würde dich erstechen.«
»Nun hast du mir wieder einmal das Leben gerettet.«
»Aye, und du stehst zweifach in meiner Schuld. Aber darüber wollen wir jetzt nicht reden. Hol unsere Laterne. «
Er reichte ihr ein weiteres brennendes Streichholz, und sie rannte in das Gewölbe, wo er die Lampe abgestellt hatte. Als sie den Docht entzündete, verbrannte sie sich beinahe die Finger. Dann kehrte sie ins Zentrum der Krypta zurück. David streifte gerade die Kapuze vorn Kopf des Mannes, den er zu Boden geworfen hatte, und musterte sein Gesicht. »Wer ist das?«
»Keine Ahnung.«
Obwohl der Mann offensichtlich schwer verletzt war, brachte er ein freudloses Lächeln zustande. »Nein, Shawna MacGinnis, eine große Lady wie Sie kennt unsereins nicht. Aber bald werden Sie uns kennenlernen ... « Ein heftiger Hustenanfall unterbrach ihn, und Blut quoll aus seinem Mund.
»Wo ist Sabrina Connor?« würgte Shawna mühsam hervor.
»Wollen Sie sich zu ihr gesellen, Mylady? Vielleicht wird das demnächst geschehen.«
David packte den Mann am Kragen des Umhangs und schüttelte ihn. »Ist sie am Leben?«
»Gnade!« stöhnte er. »ja, sie lebt.«
»Nun hat Ihre letzte Stunde geschlagen.« David lockerte seinen Griff. »Bevor Sie sterben, sollten Sie uns verraten, wo Sabrina festgehalten wird. Dann wird der Allmächtige Ihrer schwarzen Seele vielleicht etwas milder begegnen.«
»Der Allmächtige!« rief der Mann und warf Shawna einen Blick zu, der sie frösteln ließ. »Vom Himmel erwarte ich nichts, und meine >schwarze Seele< wird in der Hölle landen. Wie nahe Leben und Tod beisammenliegen, nicht wahr, Lady? Manchmal weilen die Lebenden sogar zwischen den Toten.« Höhnisch lachte er und hustete wieder.
»Wo ist Sabrina?« beschwor sie ihn.
Aber er antwortete nicht. Mit glasigen Augen starrte er sie an.
»Wo ... « , begann sie noch einmal.
»Er ist tot«, erklärte David leise. Er stand auf, schwang die Leiche über seine Schulter und trug sie in einen Korridor.
»Was hast du vor?« fragte Shawna, als er zu ihr zurückkehrte.
»Ich werde ihn möglichst bald begraben. Vorerst darf er nicht gefunden werden.«
»Aber wir sollten den Constable verständigen ... «
»Der wird uns nicht helfen. Dieses Problem müssen wir selber lösen. Jetzt verschwinden wir erst einmal. Ich weiß nicht, wie viele Leute in diese Verschwörung verstrickt sind. O Shawna, du bist wirklich eine Närrin, wenn du das Ausmaß der Gefahr noch nicht erkannt hast, in der du schwebst. Hättest du dich bloß nicht in die Gruft gewagt! Wenn du dich vernünftig benehmen würdest ... «
Eben noch war sie überglücklich gewesen, weil er am Leben geblieben war Und nun machte er ihr schon wieder Vorwürfe. Erbost wandte sie sich ab und rannte zur Friedhofstreppe.
»Halt!« rief er ihr nach. »Bedenk doch, wer uns da oben auflauern könnte!«
Aber sie
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