Die schottische Lady
...«
»Doch, du bist todmüde, und du siehst elend aus.«
»Besten Dank, Laird Douglas.«
»Ich bin nicht Laird Douglas, und das weißt du sehr gut. Trotzdem solltest du meinen Wunsch erfüllen, Lady MacGinnis - wenn dir mein Bruder auch nur ein biss chen was bedeutet. Heute nachmittag, wenn du ausgeschlafen bist, schicke ich jemanden zu dir. Einverstanden?«
Offensichtlich hatte sie keine Wahl. »Also gut.« Sie betrat ihr Zimmer, und er schloss die Tür.
»Schieb den Riegel vor, Lady!«
Sie gehorchte, und seine Schritte entfernten sich.
Sicher würde sie kein Auge zutun. Aber sie irrte sich. Wenige Minuten, nachdem sie ihr Kleid mit einem Nachthemd vertauscht und sich dann ins Bett gelegt hatte, fielen ihr die Augen zu.
In ihrem Traum rannte sie zu den Druidensteinen. Schriller Lärm drang ihr entgegen - die klagenden Klänge eines Dudelsacks, Geschrei und Gelächter. Auf dem runden Altarstein lag Sabrina, nackt und zitternd. Eine Gestalt, die einen langen dunklen Umhang mit einer Kapuze trug, neigte sich zu ihr hinab und zückte ein Messer, um ihr die Kehle zu durchschneiden.
»Nein, nicht Sabrina!« schrie Shawna.
Da wandte sich das unheimliche Wesen zu ihr. Obwohl sie sein Gesicht nicht sah, wußte sie, dass es bösartig grinste. »Sie müss ten hier liegen, Mylady. Aber Sie haben sich, schon vor langer Zeit beschmutzt. Und trotzdem - Ihr Blut sollte die Erde tränken!« Plötzlich eilte die Gestalt zu ihr. Sie hörte immer noch die Dudelsackmusik, gellendes Geschrei und Gelächter. Ringsum tanzten Männer und Frauen, tranken und vergnügten sich.
Niemand hörte Shawnas Hilferuf. In wilder Panik lief sie davon. Aber der Vermummte kam immer näher. Verzweifelt beschleunigte sie ihre Schritte.
Und dann tauchten andere Gestalten in langen Umhängen auf, die Gesichter von Kapuzen verhüllt, und umzingelten sie. In seltsamem Singsang ertönte ihr Name, immer wieder.
Wohin sie auch zu fliehen versuchte, überall standen die geisterhaften Geschöpfe. Und jedes schwang ein Messer. Hell funkelten die Klingen im Mondlicht.
» Shawna, Shawna, Shawna .
Schreiend wich sie zurück, als ihr ein Vermummter in den Weg sprang. Unter der Kapuze sah sie sein Gesicht - die grausigen, verzerrten Züge jener verbrannten Leiche, neben der sie vor all den Jahren erwacht war.
»Nein!« kreischte sie, und das Ungeheuer lachte.
Auch die anderen brachen in schallendes Gelächter aus, rückten immer näher, sangen ihren Namen, hoben die Messer, gierten nach dem Blut ihres Opfers.
»Shawna, Shawna ... «
Kapitel 18
Abrupt fuhr sie aus dem Schlaf hoch, unterdrückte einen Schrei und versuchte das Grauen des Alptraums abzuschütteln. Sie stand auf, ging zur Balkontür und betrachtete die Landschaft.
Hatte der Constable recht? Suchte jemand ein Opfer? Gewiss , jener Mann, der in der Krypta über, sie hergefallen war, hatte kurz vor seinem Tod eine gräßliche Drohung ausgestoßen. Aber Shawna kannte die Hexen von Craig Rock ihr Leben lang. Diese guten Frauen konnten keine Mörderinnen sein.
Und, wer steckte hinter all den schrecklichen Ereignissen? Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust. Wenn die Anhänger irgendeines unheimlichen Kults ein Jungfrauenopfer brauchten und Sabrina entführt hatten, war ihre Wahl auf das falsche Mädchen gefallen. Inständig hoffte Shawna, die Amerikanerin würde ihren Zustand verschweigen. Sonst würde man sie womöglich töten, nur um sie loszuwerden.
Der Mann hatte angekündigt, sie würde sich bald zu Sabrina gesellen. Aber auch sie wäre kein geeignetes Opfer - kein unschuldiges Mädchen. Sie hatte ein Baby geboren und verloren.
Meistens verdrängte sie die Erinnerung an die Konsequenzen jener Tragödie, die nun fünf Jahre zurücklag. Es war zu schmerzlich, daran zu denken. Unglücklich biss sie sich in die Lippen. Letzte Nacht hätte sie David von seinem Kind erzählen sollen.
Als sie ihre Schwangerschaft entdeckt hatte, war sie aus Craig Rock geflohen. Dieses Baby wollte sie mit aller Macht behalten. Da sie sich die Schuld an Davids Tod gab, dachte sie, er würde in seinem Kind weiterleben.
Niemand sollte sie zwingen, das kleine Wesen fremden Leuten anzuvertrauen. Das hätte man sicher von ihr erwartet. Sie trug den Titel der Lady MacGinnis. Nur Bäuerinnen und Mägde bekamen uneheliche Kinder.
Doch die Flucht war vergeblich. Nach der Totgeburt glaubte sie, sogar von dem Allmächtigen verhöhnt zu werden. Alistair hatte sie nach Hause geholt und ihr seine
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