Die schottische Lady
aufstand, fügte er zögernd hinzu: »Vor allem die Lady.«
Alistair stand in der Kapelle und starrte das Kruzifix an. So sehr es ihm auch widerstrebte - er muss te in die Krypta hinuntergehen. Weil seltsame Dinge geschahen, weil die Vergangenheit die Lebenden quälte und die Zukunft zu zerstören drohte ...
Sogar im hellen Tageslicht graute ihm vor der Gruft.
Als die Tür der Kapelle aufschwang, drehte er sich erschrocken um. Hawk Douglas trat ein. »Ah, Alistair! Du besuchst die Kapelle? Für' so fromm hätte ich dich gar nicht gehalten.«
»Oh, ich ... « Alistair lächelte. »Und warum bist du hier? Die Sioux gehören doch einer anderen Religion an. «
»Aye, sie verehren Götter und Göttinnen, die Mächte des Windes, des Regens und der Erde.«
Nachdenklich musterte Alistair den Halbindianer. Er fand es seltsam, dass der Laird wie David aussah und trotzdem seiner Sioux-Mutter glich. Aber er kleidete sich wie ein weißer Amerikaner. An diesem Tag trug er ein blaues Leinenhemd, Breeches und hohe Stiefel.
»Übrigens glaube ich, dass es nur einen einzigen Gott gibt«, fügte er hinzu, »und er ist in allen Religionen derselbe.«
»Willst du hier zu ihm beten, Hawk? Dann werde ich dich nicht stören ... «
»Nein, ich möchte die Kapelle nur durchqueren.«
»Wohin gehst du?«
»In die Gruft. Soviel ich weiß, hast du letzte Nacht irgendwas dort unten gehört, aber nichts gefunden.«
»Nun, du weißt ja, wie diese alten Gebäude ächzen und stöhnen ... «
»Das weißt du viel besser als ich. Und trotzdem bist du hinuntergegangen - also muss t du ein besonderes Geräusch gehört haben.«
»Aber ich fand nichts.«
»Nun, ich werde mich mal dort unten umsehen. Begleitest du mich?« Hawk ging zur Eisentür, nahm eine Laterne von einem Wandhaken und riss ein Streichholz an, um sie zu entzünden.
Mühsam bezwang Alistair seine Angst und folgte ihm. Schweiß rann über seinen Rücken.
Obwohl der Tag anbrach, wollte sich Shawna nach der ereignisreichen Nacht noch ein wenig Schlaf vergönnen. Sie zog Davids Kilt und das Hemd aus, wusch sich mit Seife und dem Wasserrest, den sie im Krug fand, und schlüpfte in ein Nachthemd. Kaum hatte sie sich ins Bett gelegt und die Augen geschlossen, klopfte es an der Tür. Erschrocken richtete sie sich auf. »Wer ist da?«
»Mary Jane.«
»Einen Augenblick!« Shawna sprang aus dem Bett, versteckte Davids Sachen hinter dem Wandschirm und öffnete die Tür.
Lächelnd trat die Zofe ein, aber sie wirkte ziemlich erschöpft. »Guten Morgen, Shawna. Laird Hawk lässt dich bitten, mit der Familie zu frühstücken, bevor sie alle wieder aufbrechen und nach Miss Sabrina suchen.«
»Aye, ich komme sofort.«
»Gut. Übrigens, du siehst müde aus.«
»Du auch.«
»Nun, wir alle blieben lange wach vor lauter Sorge um die arme Miss Sabrina. Aber vielleicht hat der Constable recht. Wir wissen doch, was passieren kann, wenn der richtige Mann auftaucht.«
»Auf Sabrina trifft das nicht zu.«
»Warum sollte sie sich von anderen Mädchen unterscheiden?« Shawna schwieg, um das Geheimnis der Amerikanerin zu bewahren, und Mary Jane fuhr fort: »Schau dich doch selber an! Was wolltest du nicht alles für den verstorbenen Laird David riskieren?«
»Das ist doch schon so lange her.«
»Nun, dann werde ich jetzt Kleider für dich herauslegen.«
»Nein, das mache ich schon selber.« Shawna fürchtete, die Zofe könnte Davids Kilt finden. Den muss te sie möglichst schnell verschwinden lassen. »Bitte, sag Laird Douglas, ich komme -gleich hinunter. Übrigens, wie geht es Lady Douglas?«
»Sie ist natürlich müde, aber fest entschlossen, ihre Schwester zu finden. Glücklicherweise glaubt sie, Miss Connor sei noch am Leben.«
»Gut.« Vermutlich hatte David seinem Bruder und seiner Schwägerin die nächtlichen Ereignisse in der Krypta geschildert. »Ich werde mich beeilen.«
Nachdem die Zofe das Zimmer endlich verlassen hatte, zog sich Shawna hastig an. Sorgsam faltete sie Davids Kleidungsstücke zusammen und schob die Sachen in die Schublade einer Kommode aus dem achtzehnten Jahrhundert. Dann trat sie in den Flur hinaus, wo Gawain wartete. »Onkel!« rief sie überrascht.
»Ich begleite dich hinunter, Mädchen«, erbot er sich und nahm ihren Arm. An diesem Morgen wirkte er bedrückt und viel älter.
»Gibt es inzwischen irgendwelche Anhaltspunkte, die auf Sabrinas Verbleib hinweisen?« fragte Shawna hoffnungsvoll.
»Keine. Und die Feier steht vor der Tür. Sie bedeutet den
Weitere Kostenlose Bücher