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Die schottische Rose

Die schottische Rose

Titel: Die schottische Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo MacDoherty
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es nur eine Frauenstimme, welche die Stille durchbrach. Connor hörte wie durch einen Nebel Aylinns verzweifelten Ruf, während er sein Langschwert sinken ließ, bis die Spitze unter dem Visier von Argylls Helm und über dem Rand des Brustpanzers lag, direkt auf seiner Kehle, der Stelle, wo das Eisen seine Haut nicht bedeckte.
    Argyll von Albany wartete auf den tödlichen Stoß. Der König, die Königin, Aylinn und mit ihnen tausend andere ebenfalls. Sie alle verharrten atemlos und starrten wie gebannt auf die Szene vor ihren Augen. Das Gottesurteil war gefällt, und Argyll von Albanys Leben war verwirkt.
    Connor brauchte nur noch zuzustoßen, dann war Gottes Wille erfüllt und er hatte Genugtuung bekommen. Aber … war es Gottes Wille? Und bereitete es ihm Genugtuung, einen zwar hinterlistigen, aber jetzt wehrlosen Feind einfach zu meucheln?
    Er schloss einen Moment die Augen. Wie schon bei dem Kampf auf dem Carn Glaschoire stiegen Erinnerungen in ihm hoch. Blutige Erinnerungen, an Vernuil, an Konstantinopel, an Italien. Überall dort hatte er gekämpft, und überall hatte er eine Spur aus Blut hinterlassen. Dem Blut seiner Feinde, mit dem er selbst von Kopf bis Fuß bespritzt gewesen war. Er erinnerte sich an schreiende Männer, die sich ihre Hände auf den Unterleib pressten und vergeblich versuchten, ihre Eingeweide in den Körper zurückzuschieben. An Soldaten, die fast noch Kinder waren, was er erst gesehen hatte, nachdem er sie in der Hitze der Schlacht niedergemetzelt hatte.
    Bevor er nach Schottland gekommen war, hatte er sich geschworen, diesem Blutvergießen zu entsagen. Und doch hatte er sich gezwungen gesehen, erneut Blut zu vergießen. Doch Connor McPherson wollte sich nicht zwingen lassen. Nicht mehr. Nicht jetzt. Nicht hier. Verzeih mir, Hamish, dachte er. Aber ich kann es nicht!
    »Gesteht Eure Schandtaten ein!« Er war überrascht, wie kalt und beherrscht seine Stimme klang. »Ihr habt Hamish verführt und in eine Falle gelockt, die Ihr selbst gestellt habt. Ihr habt Euch mit Robert Stewart verschworen, den König gefangen zu nehmen, wenn nicht gar zu töten, um selbst den Thron Schottlands besteigen zu können! Gesteht es, gebt damit mir und meiner Familie meine Ehre zurück, dann schenke ich Euch Euer jämmerliches Leben!«
    Argyll starrte Connor in die Augen. Der Blick des Herzogs loderte von Hass, aber noch etwas anderes lag darin, etwas Mächtigeres, das den Hass unterdrückte und langsam Besitz von dem Mann ergriff, der im Staub vor Connor kniete.
    Furcht.
    Eine beinahe übermächtige Furcht vor dem Tod.
    »Ich …«
    »Ich verstehe Euch nicht!«, fuhr Connor ihn an.
    »Ich … gestehe. Ich bitte Euch um mein Leben«, stieß der Herzog erstickt hervor.
    Connor wandte den Kopf und sah zu dem Podest hinüber. Auf den Tribünen herrschte Totenstille.
    Der König hatte sich erhoben und war neben Sir Rupert getreten. Jetzt nickte er.
    Connor sah wieder zu dem Herzog hinunter. Einen Moment lang war er versucht, trotz allem den Stahl seines Schwerts in die Kehle dieses unwürdigen Mannes zu rammen. Doch er überwand diesen Augenblick und nahm die Spitze seines Langschwerts vom Hals des Herzogs. »Dann lebt«, erklärte er. »Wenn Ihr es unbedingt wünscht.«
    Er drehte sich um, nahm den Helm ab, schob sein Langschwert in die Scheide und trat zwei Schritte näher an das Podest.
    Die Menge löste sich aus ihrer Erstarrung, aber die Menschen brachen nicht in lautes Gebrüll aus, wie sie es üblicherweise bei einem Turnierkampf getan hätten, sondern es erhob sich ein dumpfes, summendes Raunen, das immer weiter anschwoll, bis der König erkannte, dass die Menschen nicht einfach nur schrien, sondern einen Namen riefen. Leise zunächst, dann lauter, bis er schließlich zu verstehen war.
    »McPherson … McPherson …!«
    Selbst den König überlief in diesem Moment eine Gänsehaut. Connor McPherson hatte damit, dass er das Leben des Herzogs verschonte, mehr erreicht, als er je hätte tun können, wenn er sein Schwert in die Kehle des hinterlistigen, betrügerischen Mannes gerammt hätte. James nickte. Eine Kehle, die sehr bald unter dem Schafott des Henkers liegen würde, neben der von Robert Stewart.
    Er hob die Hände, und die Menschen verstummten.
    »Connor McPherson«, begann James I., »Ihr stellt selbst einen König vor schier unlösbare Aufgaben.« Er lächelte, als seine Gemahlin neben ihn trat. »Wieder habt Ihr bewiesen, warum ich allen Grund habe, Stolz und Respekt für meine Highlander zu

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