Die schottische Rose
Fast wie Blut, dachte Juliet und unterdrückte ein Frösteln. »Sie haben vor, ihn und seine Gemahlin in Edinburgh zu begrüßen, wo sein Schiff in höchstens vierzehn Tagen, wahrscheinlich sogar früher, erwartet wird.«
Sein Schiff? Juliet hielt unwillkürlich den Atem an. Schon wieder wurde sie von einer Nachricht überrumpelt. Zwar hatte ihre Kusine Joan Beaufort ihr gegenüber angedeutet, dass sie und ihr Gemahl erwogen, die Reise von Windsor aus über London und dann mit dem Schiff um England herum zu machen, um die Gefahren einer Reise über Land zu meiden, die über weite Strecken durch die Gebiete der königsfeindlichen Clans des Tieflands geführt hätte. Aber die Entscheidung war noch nicht endgültig gefallen gewesen, als sich Juliet auf den Weg nach Grant Castle gemacht hatte.
Sie schaute zu Sir Archibald. Hatte er das gewusst? Der versteinerten Miene des Patriarchen entnahm sie, dass er ebenso überrascht war wie sie selbst.
Wieso waren die Stewarts so ausgezeichnet informiert? Und, viel interessanter noch, warum erzählte Sir Rupert das alles? Immerhin befand er sich hier nicht gerade unter Freunden, das musste er doch wissen.
»Zweifellos wird Jakob ein sehr schweres Amt antreten, Sir Archibald«, fuhr Sir Rupert fort. »Das sehr viel diplomatisches Geschick erfordert und bei dem er so viel Hilfe benötigt, wie er bekommen kann. So wie auf Eure Loyalität kann er sich gewiss auch auf den Beistand und das diplomatische Geschick seiner Gemahlin verlassen.« Er warf Juliet einen Seitenblick zu, doch jede Ironie war aus seiner Miene verschwunden, als er weitersprach. »Er dürfte beides dringend benötigen, wenn er seine Pläne verwirklichen will.«
Die Stimmung an der Tafel war merklich abgekühlt. Der junge Stewart musterte den Patriarchen des Grant-Clans kühl, wohingegen Sir Archibalds gerötetes Gesicht darauf hinzudeuten schien, dass er kurz davor war, einen seiner berüchtigten Wutausbrüche zu erleiden. Juliet hielt es für ratsam, ihren Charme einzusetzen, um die feindselige Atmosphäre aufzulockern. Es war niemandem damit gedient, wenn sich diese beiden Männer an die Kehle gingen.
»Und Ihr, Sir Rupert?« Juliet schenkte ihm ihr unschuldigstes Lächeln, als er sie überrascht ansah. »Was führt Euch nach Grant Castle? Seid Ihr vielleicht auch auf einer diplomatischen Mission unterwegs?« Sie lachte, um ihren Worten das Gewicht zu nehmen. »Oder wollt Ihr Euch gar Sir Archibald anschließen oder seine Bemühungen zur Einigung der Clans unterstützen?«
»In der Tat, Milady.« Der Stewart neigte den Kopf. Juliet war sich nicht sicher, aber sie hatte den Eindruck, dass auch er die feindselige Stimmung gespürt und ein wenig erleichtert war, dass sie ihm die Möglichkeit bot, einer weiteren Konfrontation mit Sir Archibald aus dem Weg zu gehen. »Mein Großvater, der Earl von Atholl«, fuhr Sir Rupert fort, »hat mich damit beauftragt, unsere Freunde von der bevorstehenden Ankunft Jakobs und seiner Gemahlin zu informieren.« Er warf Sir Archibald einen schnellen Seitenblick zu. »Um ihn gemeinsam in Edinburgh zu empfangen, wie ich bereits sagte.«
Bevor Sir Archibald eine weitere Beleidigung äußern konnte, sprach Juliet rasch weiter. »Ihr sagtet auch, dass dies nur ein Grund für Eure Reise wäre, Sire«, erinnerte sie ihn.
Sir Rupert nickte grimmig. »Richtig, Milady. Ihr hört offenbar genauso scharf zu, wie Ihr beobachtet.«
»Und was«, brummte Sir Archibald ungehalten, »ist der zweite Grund, wenn ich fragen darf? Sir!«, fügte er fast widerwillig hinzu, als seine Gemahlin unauffällig seine Hand drückte.
Sir Rupert griff nach seinem Weinkelch, trank einen Schluck und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Der zweite Grund, Sir Archibald, ist ebenfalls kein großes Geheimnis.« Seine blauen Augen funkelten. »Wir haben die Nachricht erhalten, dass Robert McPherson gestern früh gestorben ist. Mein Großvater kann der Familie bedauerlicherweise seine Anteilnahme nicht persönlich ausdrücken und hat mich mit dieser traurigen Aufgabe betraut.« Sir Rupert machte eine kleine Pause, bevor er fortfuhr. »Da auch der Herzog von Albany beabsichtigt, an der Totenfeier teilzunehmen, hole ich ihn und seine Tochter Aylinn von Campbell House ab und reite mit beiden nach Mandrake Manor weiter.«
Juliet hatte das Gefühl, ihr Lächeln wäre auf ihren Lippen festgefroren. Ihre Gedanken überschlugen sich. Das war jetzt schon das dritte Mal, dass Sir Rupert sie mit einer Information
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