Die schottische Rose
nicht allein.« Er hob den Kopf. »Wie ich gehört habe, bemüht Ihr Euch ja bereits seit einiger Zeit, die zerstrittenen Hochlandclans zu vereinen und sie unter der Fahne des Königs zu versammeln. Ein zweifellos sehr schwieriges Unterfangen angesichts der Halsstarrigkeit und der uralten Streitigkeiten zwischen den Clans.« Er schaute Juliet spöttisch an. »Es ist sicher von Vorteil, wenn man bei einem solch heiklen Vorhaben diplomatisch vorgeht und sich eines ebenso geschickten wie charmanten Unterhändlers bedienen kann.«
Sir Archibald fuhr wütend hoch, aber Sir Rupert hob abwiegelnd die Hand. »Hört mich an, Sire«, fuhr er rasch fort. »Ich bin ebenfalls überzeugt, dass diese Clanstreitigkeiten unserem Land ernsten Schaden zufügen. Nur in einem vereinigten Schottland wird auf lange Sicht der Frieden einkehren, den wir dringend brauchen.« Er verzog die Lippen zu einem kalten Lächeln. »Die Frage ist nur …«
»Die Frage, Sir Rupert«, unterbrach ihn der Laird von Grant Castle grob, »ob Euer Onkel Robert Stewart der Richtige ist, diese Zwistigkeiten zu beenden. Oder Euer Großvater, William Earl von Atholl! Ich bezweifle das sehr.« Jetzt hob Sir Archibald gebieterisch die Hand, als der Stewart etwas erwidern wollte. »Sie wollen das Hochland befrieden, sicher, und zwar genauso, wie die Campbells und Douglas es mit dem Tiefland gemacht haben …«, er lachte spöttisch, »… und dabei Schottland nur dem englischen König in die Hände gespielt haben. Ich dagegen hoffe sehr«, Sir Archibald lehnte sich zurück und starrte den jungen Edelmann herausfordernd an, »dass diese unerträglichen Vorgänge ein Ende finden, wenn erst unser rechtmäßiger König auf Schottlands Thron sitzt und mit eiserner Hand durchgreift. Was sehr bald geschehen wird.«
Juliet hielt den Atem an, während ihr Blick von Sir Archibald zu Sir Rupert flog. Sir Archibalds letzte Bemerkung musste den Stewart provozieren. Der jedoch überraschte sie erneut, indem er gelassen auf die Herausforderung des Patriarchen reagierte.
»Vielleicht habt Ihr recht, Sir Archibald«, lenkte er friedfertig ein, presste jedoch seine ausdrucksvollen Lippen zusammen. »Sobald auf diesem Thron wieder ein König sitzt, dürfte er diese unseligen Zwistigkeiten hoffentlich mit starker Hand unterbinden.« Er riss seinen Blick von Juliet los und schaute Sir Archibald offen an. »Die Frage ist nur, wer dieser König sein wird.«
Sir Archibald beugte sich kriegerisch vor. Jetzt war er in seinem Element, und er funkelte den jungen Stewart triumphierend an. »Ich glaube, Ihr seid nicht ganz auf dem Laufenden, Stewart«, knurrte er. »Jakob …«
»… wurde freigekauft, das weiß ich, Sir Archibald«, unterbrach Sir Rupert ihn kühl. »Aus erster Hand, wie Ihr Euch denken könnt. Immerhin war es mein Onkel, der das Lösegeld …«
»Und Jakob schickt sich außerdem an, sich auf den Weg nach Schottland zu machen, wie wir soeben erfahren haben.« Lady Hether gab ihre übliche Zurückhaltung auf. »Sir Rupert«, setzte sie liebenswürdig hinzu und warf dabei Juliet einen vielsagenden Blick zu.
Die holte tief Luft, ließ sich jedoch ihre Überraschung nicht anmerken. Dass Joan und Jakob ihre Vorbereitungen abgeschlossen hatten, hatte sie nicht gewusst. Vermutlich waren auch die Grants erst kurz vor dem Essen darüber informiert worden, sonst hätten sie es ihr ganz gewiss gesagt. Ihr blieb jedoch keine Zeit, diese Neuigkeit zu verarbeiten und über ihre Konsequenzen nachzudenken, denn ihre Aufmerksamkeit war auf Sir Ruperts und seine Reaktion auf die bevorstehende Ankunft des zukünftigen Königs Schottlands gerichtet.
Der junge Stewart lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Ein unmerkliches Lächeln spielte um seine Lippen, doch seine blauen Augen blickten kühl und unergründlich.
»So ist es«, gab er gelassen zu und griff nach seinem Weinkelch. Diesmal nickte er, als der Lakai mit einem Weinkrug herantrat, und wartete, bis der Mann wieder ging. »Das ist einer der Gründe für meine Reise.«
Sir Archibald war von diesem offenen Eingeständnis ebenso überrascht wie Juliet.
»Mein Großvater und mein Onkel Robert« – täuschte sich Juliet oder spielte ein verächtliches Lächeln um die Lippen von Sir Rupert? – »beabsichtigen, Jakob … gebührend zu empfangen.« Rupert mied Sir Archibalds Blick und starrte auf den Wein in seinem Kelch, der im Licht der Talgkerzen, die in den schweren Eisenlüstern über der Tafel blakten, tiefrot funkelte.
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