Die Schreckenskammer
und präzise gemacht.«
»Würden Sie sagen: chirurgisch? «
»Ja, man könnte sagen, die Wunde war eine chirurgische. Aber von dem Chirurgen möchte ich mich nicht aufschneiden lassen.«
Der sich nähernde Streifenwagen hatte die Tat wahrscheinlich unterbrochen. Ich fragte mich, ob es ein Trost für den jungen Polizisten wäre, wenn er wüsste, dass sein Eintreffen Earls unvermeidbaren Tod wahrscheinlich beschleunigt und ihm so eine Unmenge von Schmerzen erspart hatte.
Er hatte nicht so ausgesehen, als würde ihn das trösten.
Fred traf ein. Wenn er mir jetzt befohlen hätte, alle bekannten Ausweider von Los Angeles aufs Revier zu schleppen, hätte ich ihn k.o. geschlagen. Aber er tat es nicht. Er schaute Earl Jacksons Überreste nur kurz an und schüttelte den Kopf.
»Halten Sie mich auf dem Laufenden«, sagte er. Dann stieg er ohne ein weiteres Wort in sein Auto und fuhr davon.
Bisher hatte ich gedacht, wenn ich erst eine Leiche hätte, würde das Fred dazu bringen, die Sache auf meine Art zu sehen. Aber er glaubte nicht, dass es eine Verbindung gab, eben weil es eine Leiche gab. Das machte für ihn den Jackson-Fall anders.
Ich musste zugeben, dass ich selbst meine Zweifel hatte, trotz Erkinnens offensichtlicher Überzeugung, dass es entweder ein Fehler oder eine Eskalation war. Letztendlich hatte ich nicht mehr in der Hand als vor dem Leichenfund. Wenn der Mörder gestört worden war, würde man meinen, dass es am Tatort mehr Spuren geben müsste, weil der Täter so schnell hätte verschwinden müssen, dass er in seiner Hast Sachen zurückgelassen hätte. Aber es gab keine Spuren von quietschenden Reifen, keine Haare oder Fasern. Der rissige Beton des Parkplatzes war auch nicht gerade geeignet, uns den ersehnten Schuhabdruck zu liefern. Es meldeten sich keine Zeugen, die etwas Sachdienliches beobachtet hatten. Das einzige Blut am Fundort war das von Earl Jackson.
Es war mein Fall, aber inzwischen betrachtete ich ihn beinahe als Ablenkung von meinem eigentlichen Fall, auch wenn ich nichts hatte als den Namen, den der Museumsdirektor mir gegeben hatte. Ich stürzte mich in Recherchen über Wilbur Durand, als wäre das meine letzte Hoffnung.
Ein Talent von Hitchcock’ scher Größe im Horror-Genre. Dieses übertriebene Lob prangte auf der Startseite einer Website, die sich ausführlich mit Horrorfilmen beschäftigte. Eine Liste bekannter Klassiker war aufgeführt, bei denen er ohne Ausnahme die Hand im Spiel gehabt hatte, was mir bis dahin völlig entgangen war. Unten auf der Liste war sein jüngstes Œuvre aufgeführt – Wilbur Durand war Autor, Produzent und Regisseur von Sie essen dort kleine Kinder.
Der Film wurde nicht in Verbindung mit seinem Namen beworben. Nach Angaben des Redakteurs dieser Site (der, wie ich mir in Erinnerung rufen musste, seinen eigenen Standpunkt vertrat und nicht unbedingt den des Objekts seines Interesses) war Kleine Kinder ziemlich wichtig für Durand persönlich, weil er die vollständige kreative und finanzielle Kontrolle über das Projekt hatte. Hat Durand in einem Interview Aussagen in dieser Hinsicht gemacht? Falls ja, fand ich sie nicht, zumindest nicht im Web. Es gab jede Menge Informationen über sein Gesamtwerk, was ziemlich umfangreich war. Es war sehr einfach, grundlegende Informationen über alle Projekte zu bekommen, mit denen er sich beschäftigt hatte.
Aber sein Privatleben blieb ein völlig unbeschriebenes Blatt. People, Us und Entertainment Weekly hatten offensichtlich alle vergeblich versucht, ihn zur Mitarbeit bei Artikeln über ihn selbst zu bewegen. Er war ein schattenhafter Einsiedler erster Ordnung. Fotos von dem Mann waren wie Hühnerzähne; in den wenigen, die ich finden konnte, trug er eine Sonnenbrille und sah aus wie eine böse, perverse Reinkarnation meines Idols Roy Orbison. War er verheiratet? Mochte er Hunde, Eiskrem? Kein Mensch wusste es. Ich schaute mir die OUT/LOUD-Website an, aber auf deren Liste der heimlichen Homosexuellen unter den Prominenten Hollywoods tauchte er nicht auf, was allerdings nicht bedeutete, dass er keiner war, nur dass sie es noch nicht herausgefunden hatten, diese Mistkerle. Meine persönlichen Schwulen-Detektoren schlugen allerdings schon beim Betrachten der Fotos aus.
Falls er doch zur Homophilie neigte, hielt er sich sehr bedeckt.
Unsere wöchentliche Revierbesprechung fand zur Mittagszeit dieses Tages statt; diesmal gab es Pizza, die in unseren Sitzungen immer eine besonders zungenlösende Wirkung zu
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