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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Jean de Malestroit fasste nach meiner Hand und hielt mich an. »Ich habe Nachricht von Hauptmann Labbe«, sagte er leise. »Sie werden noch vor dem Morgen hier eintreffen. Er wird versuchen, ihre Ankunft so zu legen, dass noch tiefe Nacht herrscht.«
    »Das ist nur klug«, sagte ich so leise, dass ich es selbst kaum hören konnte.
    »Die Ergreifung ging still vonstatten«, sagte er. »Wie auch die Reise von Machecoul hierher – es gab keine Schwierigkeiten. Labbe sagte, dass Milord sich mit einem erbarmungswürdigen Mangel an Widerstand in seine Hände ergab, wie auch Prelati, Poitou und Henriet.«
    So war es mein Wunsch, die Ankunft in stiller Ungestörtheit zu beobachten, der mich in den frühesten Morgenstunden die Wendeltreppe in den Nordturm der Abtei hinaufführte. Über mir flackerte eine Fackel, gehalten von meinem schmerzenden Arm, der sich in den letzten Tagen einmal zu oft nach Äpfeln gestreckt hatte und sich jetzt mit Zittern dafür rächte. Ich brauchte das Licht mehr denn je, die Steinstufen waren abgenutzt von den Schritten vieler Jahrhunderte, und nur hin und wieder gab es Fensterschlitze, die ein wenig Mondlicht hereinließen. Immer im Kreis ging ich und langsam; so dauerte es einige Minuten, bis ich oben auf der Brustwehr ankam, von der aus ich Gilles de Rais’ beschämenden Wiedereinzug in Nantes beobachten würde.
    Ich trat hinaus auf den kleinen Balkon und staunte über das Mondlicht, das durch Wolkenfetzen hindurch den Himmel mit sichtbaren Strahlen hauchdünnen Silbergraus erhellte. Zahllose Sterne funkelten über mir, und einen kurzen Augenblick lang vergaß ich ob des Zaubers meinen Kummer.
    Die Fackel steckte ich in einen Spalt, den ich in einer steinernen Bestie entdeckte, deren böse Fratze im flackernden Schein noch bedrohlicher wirkte. Unter mir lag der Marktplatz, den Labbes Gefolge würde überqueren müssen, um zum Bischofspalast zu gelangen. Er lag sehr tief unten, vielleicht siebzig Ellen, und als ich mich über die Brüstung beugte, wurde mir übel.
    Wann würde ich Schlaf finden, um jenen auszugleichen, den ich jetzt opferte, um diese makabre Parade zu beobachten. Ich sehnte mich nach einer heißen Tasse des köstlichen thé, den Schwester Claire mir in Bourgneuf so gastfreundlich aufgetragen hatte. Minuten vergingen, dann eine halbe Stunde, dann eine Stunde; der Mond neigte sich zum Horizont, und sein Licht verblasste. Doch unter mir war mehr Licht, als ich erwartet hatte, denn eine nach der anderen tauchten Fackeln auf dem Platz auf.
    Sie schienen aus dem Nichts zu kommen, durch die Schatten zu schlüpfen. Ihr Licht erhellte die Köpfe derer, die sie in die Höhe hielten, und als der Schein immer heller wurde, sah ich, dass die Leute, die sich nun versammelten, wie gemeines Volk gewandet waren und nicht wie Edelmänner oder Soldaten. Das Auftauchen von immer Neuen fesselte mich so sehr, dass ich die Schritte hinter mir nicht hörte. Erst als jemand meinen Namen rief, wusste ich, dass ich nicht mehr allein war.
    Zuerst erkannte ich die Stimme nicht, denn das Echo im Durchgang verzerrte jeden Klang. Jean de Malestroit trat hutlos und in schlichtem Gewand ins schwächer werdende Mondlicht.
    »Ihr seid nicht geziemend gewandet, um einen großen Herren zu begrüßen«, bemerkte ich.
    Er lächelte. »Ich werde ihn nicht begrüßen. Hauptmann Labbe wird ihn direkt in den Palast führen. Dort wurden Räumlichkeiten für seine Unterkunft vorbereitet.«
    »Aha«, sagte ich. »Räumlichkeiten. Damit meint Ihr wohl den Kerker.«
    »Er ist noch immer ein Mann von Stand, Guillemette; es wird ihm nicht an Bequemlichkeit mangeln, dessen dürft Ihr sicher sein.«
    Ich drehte mich um und betrachtete die anschwellende Menge. »Anscheinend können Neuigkeiten nicht geheim gehalten werden.«
    »Nicht solche Neuigkeiten.«
    Einige Minuten lang stand Jean de Malestroit hinter mir, und dann spürte ich seine Hand auf meiner Schulter.
    »Es tut mir Leid«, flüsterte er.
    »Ich weiß, Jean«, sagte ich.
    Den Rest der Zeit standen wir nur da und sprachen kein einziges Wort. Lange bevor wir den Karren sahen, der Gilles de Rais und seine Komplizen trug, hörten wir in der Ferne das Knarren der Räder. In die Menge unter uns – inzwischen vielleicht hundert Mann – kam Unruhe. Von unserer hohen Warte aus sahen wir ihre Fackeln in einem fahrigen Rhythmus herumschwirren, dessen Tempo sich erhöhte, je lauter das Geräusch der Räder wurde. Als die ersten Pferde auf dem Platz auftauchten, bewegten die

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