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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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dass irgendjemand sie berührte, bevor ich nicht jeden einzelnen Schuh persönlich untersucht hatte.
    Nike, New Balance, Adidas, Puma – jede nur denkbare Marke. Direkt vor unseren Augen und doch so leicht zu übersehen. Ich fing an, die Eltern anzurufen und Termine für Besichtigungen auszumachen, im Halbstundenabstand, den ganzen Abend lang und am nächsten Vormittag noch einmal.
    Ich fragte mich, wann mein Ex anfangen würde, von mir Alimente zu verlangen, anstatt andersherum. Inzwischen könnte er mir mit einigem Recht vorwerfen, ich sei eine schlechte Mutter. Denn so fühlte ich mich allmählich. Aber wenigstens waren meine Kinder in Sicherheit.
     
    Die Eltern und Fürsorgeberechtigten trafen wie vereinbart ein. Einige waren übereifrig und kamen zu früh – sie mussten warten. Nervöse Ungeduld hing in der Luft, während Angehörige der vermissten Kinder auf unbequemen grell-orangenen Stühlen herumsaßen und die Zeiger der Uhr anstarrten, in dem Wissen, dass der Tod des geliebten Kindes nun endlich durch Beweise bestätigt werden könnte.
    Zwei große Tische standen in der Mitte des Befragungszimmers, jeder bedeckt mit Reihen ordentlich zu Paaren sortierter Turnschuhe. Escobar war nach Hause gefahren, um mehrere Paare alter Turnschuhe seiner eigenen Kinder zu holen, die wir mit versteckten Aufklebern auf der Innenseite der Zunge markierten. Andere Kollegen hatte ich dazu verdonnert, in den Tiefen ihrer Spinde nach vergessenen Paaren zu suchen. Es war, als würde man Fotos von Polizisten in Straßenkleidung mit dem Bild eines echten Verdächtigen zu einer Serie zusammenstellen; der Wert der erhofften positiven Identifikation wurde dadurch erhöht, dass es bekannte Nieten in der Zusammenstellung gab und die vom Identifizierenden zu Gunsten des eigentlichen Täters übergangen wurden. Wir haben bewusst versucht, diesen Zeugen aus dem Konzept zu bringen, Euer Ehren, aber er kehrte immer wieder zum Foto des Angeklagten zurück, gleichgültig, wie viele andere wir ihm vorlegten.
    Fred Vuska, Spence, Escobar und ich schauten durch den Spionspiegel zu, wie ein uniformierter Beamter diese ängstlichen Erwachsenen in das Zimmer und durch diese merkwürdige Ausstellung führte. Ich hatte den Eltern und Verwandten eingeschärft, die Gegenstände nicht zu berühren, um eine Kontamination zu vermeiden, aber man konnte darauf warten, dass jemand es tun würde. Es dauerte nicht lange; einer der Väter streckte die Hand aus, zog sie wieder zurück, schaute dann zum Spiegel – er wusste natürlich, dass wir zuschauten – und nickte einfach. Er ließ die Schultern hängen und fing an zu weinen.
    Ich ging sofort in das Zimmer und nahm das Paar an mich. Dann hielt ich sie dem Vater mit behandschuhten Händen hin und fragte: »Sind Sie sicher, dass diese Schuhe Ihrem Sohn gehören?«
    »Ja«, flüsterte er tränenerstickt. Er deutete auf einen schwachen Farbfleck an der Spitze eines Schuhs. »Wir haben am letzten Vatertag die Veranda gestrichen, und Jamie hat sich Farbe auf die Turnschuhe gekleckert. Das meiste habe ich wieder herausbekommen, aber das da vorne an der Spitze ging nicht weg.«
    Ich schaute genauer hin und entdeckte in den Falten an der Spitze winzige grüne Flecken auf dem weißgrauen Gummi.
    Um jeden Zweifel an der Identifikation der Turnschuhe als diesem Kind gehörig auszuschließen, konnten wir einen Farbvergleich zwischen Veranda und Schuh anstellen.
    Zu der Zeit war ein Spezialist der Spurensicherung, den ich zu Ellen Leeds’ Wohnung geschickt hatte, mit dem ordentlich in einer Tüte verpackten und beschrifteten Schuhkarton zurückgekehrt. Ich ließ ihn die Tüte im Asservatenspind abstellen. Als ich dann wieder durch das Glas schaute, sah ich, dass ein anderer Mann – ein Onkel eines Opfers – sich abwandte, zusammensackte und sich übergab. Ich stürzte in den Raum, um ihm zu helfen. Nachdem er sich den Mund mit dem Ärmel abgewischt hatte, deutete er auf ein Paar Disney-World-Schuhbänder, die er während einer Geschäftsreise nach Florida für seinen Neffen gekauft hatte. Die Enden waren abgeschnitten, weil die Bänder zu lang waren und der Junge die ganze Zeit darüber stolperte. Er identifizierte sie eindeutig anhand der Klebstoffkleckse, die er auf die Enden geschmiert hatte, damit sie nicht ausfransten.
    So ging es weiter, mit noch einigen positiven Identifikationen. Als all die Eltern dieses Abends gegangen waren, waren wir alleine, um unseren traurigen Sieg zu genießen.
    Das Gewicht unserer

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