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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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schwülwarme Stadt. Ich saß, noch immer wie betäubt, auf dem Beifahrersitz. Der Verkehr war laut und hektisch, und meinen pochenden Schädel bestürmten Bilder von Earl Jacksons kleinem verstümmeltem Körper. Ich wollte in diesem Leben nichts mehr, als Wilbur Durand schnappen.
    »O Gott, Spence, er stand direkt vor mir. Ich hätte nur meine Handschellen herausziehen müssen …«
    »Ich kenne das Gefühl. Aber den Fall darfst du auf keinen Fall durch einen Fehler vermasseln.«
    Es hätte auch bedeutet, dass ich ihn hätte berühren müssen. Und dazu konnte ich mich nicht überwinden, unter keinen Umständen.
    Die Fotos vom Studio lagen auf meinem Schoß. Hitze flimmerte über dem Asphalt, während wir dahinkrochen. Noch einmal kämpfte ich mich durch die Bilder von Durands bizarrer Welt, auf der Suche nach dem Funken, nur einem kleinen Funken der Erleuchtung. Doch ich sah nur Köpfe, Arme, Zähne, Perücken, Ohren, Blut und Gedärme vor mir – für einen normalen Menschen alles völlig unbegreiflich.
    »Schau dir das an«, sagte ich und hielt ihm ein Foto hin. Spence warf im Fahren einen schnellen Blick darauf.
    Er runzelte die Stirn. »Was soll denn das sein?«
    »Eine ganze Kiste voller falscher Popel – das zähe Gummizeug, das man einem Schauspieler in die Nase klebt, damit es herunterhängt und aussieht wie Rotz.«
    »Ich hoffe nur, das ist nicht der Grund, warum wir noch mal dorthin fahren.«
    Wer wusste schon, was ihn am Ende überführen würde? »Es muss was ganz Gewöhnliches sein. Ich weiß nur noch nicht, was es ist.«
    Wir betraten denselben Empfangsbereich und wurden vom selben Handlanger angeblafft. Und wieder ignorierten wir ihn.
    »Der gewöhnt sich schon noch an uns«, witzelte ich. Aber kaum waren wir wieder drinnen, war es mit der Leichtfertigkeit vorbei. Ich fiel in eine Art konzentrierter Trance, ließ meinen Blick von Karton zu Karton, von Regal zu Regal wandern und einige Augenblicke bei jedem Gegenstand verharren. Ich schaltete mein Hirn in den Scan-Modus und zappte von einem Gegenstand zum nächsten, in der Hoffung, dass etwas, irgendetwas meine Aufmerksamkeit erregen würde.
    Ich dachte an meine Kinder; was hatten die, das in diesem Raum aufbewahrt werden konnte, ohne dass es zu viel Aufmerksamkeit erregte? Das Studio war voller zukünftiger Souvenirs, die eines Tages vielleicht so berühmt waren wie Dorothys rubinrote … Slipper …
    Fußbekleidungsrequisiten. Der Karton war auf den Boden geleert worden, der Inhalt lag überall verstreut. Ein Detective von einer anderen Abteilung zählte methodisch Schuhe. Es war, als würde ich mein eigenes Wohnzimmer betrachten – überall lagen Turnschuhe. Jungs tragen Turnschuhe. Es gab viel zu viele Paare Kinderschuhe im Vergleich zu anderer Fußbekleidung in diesem Karton.
    Warum hatte er so viele Turnschuhe?
    In Nathan Leeds’ Zimmer stand ein entsetzlich leerer Turnschuhkarton.
    Der Anwalt kam wieder herein. Er stand zusammen mit dem Assistenten, der ihn wahrscheinlich sofort nach unserem Eintreffen angerufen hatte, in der Tür.
    »Lasst es gut sein. Packt die Schuhe wieder in den Karton«, sagte ich leise zu den zählenden Beamten. »Wir nehmen sie mit.«
    Sie dachten offensichtlich, ich hätte den Verstand verloren. Einer von ihnen warf mir einen Blick zu.
    »Tut nichts, was diesen Heini da drüben auf die Palme bringen könnte.«
    Als wir den Karton hinaustrugen – Spence auf einer Seite, ich auf der anderen –, drehte der Anwalt durch. »Was soll das? Wohin wollen Sie denn damit? Ihr Gerichtsbeschluss sagt nichts über die persönliche Habe meines Mandanten …« Er hatte sich vor mir aufgebaut, schrie Drohungen und bespritzte mich mit wütender Spucke, obwohl er noch immer den Gerichtsbeschluss in einer Hand hielt.
    »Seien Sie still«, befahl ich, und zu meiner unendlichen Überraschung war er es sogar. Als wir mit der Kiste zwischen uns die Tür erreicht hatten, wiederholte ich seelenruhig meine Aussage vom ersten Mal: »Wir haben die richterliche Befugnis, Gegenstände als mögliche Beweismittel in der Ermittlung verschiedener Verbrechen zu beschlagnahmen.«
    Wieder fing er an zu schreien. Aber sein Geschrei konnte uns nicht aufhalten.
    Zwei stämmige Streifenpolizisten trugen den Karton aus der Garage hoch und stellten ihn knapp hinter der Empfangstheke auf den Boden. Dann zerrte ich ihn alleine in eins der Verhörzimmer, obwohl mir Myriaden von Beamten ihre Hilfe anboten – jetzt, da ich diese Indizien hatte, wollte ich nicht,

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