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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Kenntnis gesetzt und in der festen Absicht, diese Verbrechen nicht ungesühnt zu lassen, und beauftragen hiermit jeden Priester, am Sonntag den achten Oktober den zuvor erwähnten Gilles de Rais dazu aufzurufen, vor den besagten Herren Bischof und Vize-Inquisitor des Glaubens zu erscheinen, wie es das Gesetz verlangt, um sich zu verantworten und vorzubringen, was er an Einwänden und Verteidigungen vorgebracht haben möchte, wie auch vor dem für diesen Fall und andere Fälle dieser Art rechtmäßig ernannten Ankläger.«
    Luft, die zu warm für Oktober war, strömte durch das offene Fenster des oberen Saals. Wir hatten uns dort versammelt, weil die Gefahr eines Aufruhrs in der Kapelle darunter zu groß geworden war. Der obere Saal war geräumig, im Gegensatz zur unteren Halle und zur Kapelle, aber im Augenblick war sein größter Vorzug, dass durch die einfache Aufstellung von Wachen am Fuß der Treppe der Raum völlig unzugänglich war. Die Zulassung zu diesem Gericht stand allein im Belieben des Mannes, dessen Befehle die Wachen ausführten.
    Obwohl unsere Sicherheit so gewährleistet schien, herrschte viel verwirrtes Gewimmel, bevor wir uns wieder den zu erledigenden Geschäften widmen konnten. Neue Gesichter erschienen, einige davon kannte ich. Der Auftritt von Pierre l’Hôpital, Präsident der Bretagne unter Herzog Jean und ein enger Vertrauter meines Bischofs, war ein beachtenswertes Ereignis.
    »Wie ich sehe, hat der Herzog seinen Wachhund geschickt«, sagte Frère Demien.
    »De Touscheronde wird sicher daran Anstoß nehmen«, erwiderte ich.
    »Ts, ts«, machte Frère Demien.
    »Es ist ein ziemliches Glück für uns alle, dass er im Dienst unseres Herzogs eher Anwalt denn Politiker ist«, fügte ich hinzu. »Ansonsten hätten wir eine beständige diplomatische Krise.«
    Schritte hallten den letzten Gang entlang. Frère Demien drehte sich um. »Guillaume Chapeillon«, sagte er.
    Der honigzüngige Chapeillon war ein gutes Gegengewicht zum verdrießlichen l’Hôpital. Er würde für Jean de Malestroit sprechen und ausschließlich ihm verantwortlich sein. Er war gewandet in feinsten Advokatsroben mit weit gebauschten Ärmeln – ich fragte mich mit nicht geringem Neid, wie viele Schätze in diesen üppigen Falten wohl verborgen waren. Eine Truppe aus Schreibern und Notaren folgte Chapeillon wie Entlein. Jeder hatte schwarzfleckige Finger und hielt ein Bündel Federkiele in der Hand, von denen die meisten aufgebraucht sein würden, bevor der Prozess zum Abschluss kam.
    Diese Bediensteten und Würdenträger fanden schließlich ihre Plätze an der Spitze des Saales, obwohl mir die Verwirrung, die entstand, bevor sie alle wirklich saßen, alles andere als Vertrauen einflößte. Auch wenn wir uns nun an einem abgeschiedenen Ort befanden, blieb ein Rest von Angst. Ich saß auf einem der Stühle mit hoher Lehne, die man eiligst hereingebracht hatte, um allen Zugelassenen Platz zu bieten, und beschäftigte mich still mit mir selbst: Ich zog und zupfte am Saum meines Gewands, bis er gerade war, steckte lockere Haarsträhnen fest, strich den Schleier glatt und tat, was mir sonst noch einfiel, um mich abzulenken. Als ich schließlich ein vollkommenes Erscheinungsbild bot, schloss ich die Augen und dachte an die wunderbaren Äpfel, die wir im kalten Keller verstaut hatten, und daran, wie wunderbar es sein würde, in der öden Dunkelheit des Januar meine Zähne in einen zu graben. Mein Atem kam regelmäßiger, und ich wurde ruhiger.
    Doch kaum hatte ich meinen normalen Atem wieder gefunden, wurde er mir bereits wieder geraubt durch die plötzliche und völlig unerwartete Ankunft von Milord Gilles de Rais.

28
    Ich rief Moskal ein paar Tage früher als vereinbart an.
    »Ich dachte, ich würde erst am Montag von Ihnen hören«, sagte er mit seinem prägnanten Bostoner Akzent.
    »Ich habe ihn festgenagelt«, sagte ich und strahlte förmlich durch den Hörer.
    »Wow.«
    Er sagte es leise, als wäre er eher enttäuscht. Ich verstand das vollkommen; er wollte ihn ja so unbedingt wie ich.
    »Ja. Ich habe einen Haftbefehl für den Mistkerl.«
    »Schön für Sie. Und schnell.«
    Konnte er mich grinsen hören? »Wir wollen gerade los, um ihn zu verhaften. Der Haftbefehl lautet auf das Verbrechen der Entführung eines Kindes in sieben Fällen. Ich wollte Sie nur anrufen und es Sie wissen lassen.«
    »Nicht Mord?« Jetzt klang er noch enttäuschter.
    »Noch nicht. Aber es kann sein, dass wir eine Leiche haben. Ich weiß nicht, ob so

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