Die Schreckenskammer
künstlich verlängertes brrrriiieep, das mir wie ein Blitz ins Rückgrat fuhr. Eine Telefonistin war in der Leitung. Sie klang ziemlich skeptisch: »Das ist zwar ein 911er, aber der Mann fragt speziell nach Ihnen.«
Ich drückte auf den rot blinkenden Weiterleitungsknopf.
»Detective Dunbar.«
»Lany.«
Es war Kevin. Er hatte mich noch nie in der Arbeit angerufen. Seine Stimme war Panik pur. Ich starrte den Apparat an. Sofort war mir klar, warum er anrief.
Zumindest dachte ich, ich wüsste es.
»O Gott, Lany, er hätte schon vor einer Stunde zu Hause sein müssen, und ich habe gewartet und gewartet und ihm das Abendessen warm gehalten … Ich habe dann schließlich bei Jeff angerufen, und sein Vater sagte, ich wäre an der Reihe gewesen, sie abzuholen, und ich sagte, nein, Sie waren an der Reihe. Und dann hatte ich gerade aufgelegt, als Evan anrief und sagte, dass Jeffs Vater gekommen sei, aber Evan gesagt habe, er solle warten, weil ich ihn holen würde, damit wir irgendwohin fahren könnten, und dann nahm er nur Jeff mit und ließ Evan stehen. Lany, er hat Jeff. O Gott. Ich dachte, sie sind schon zu groß, als dass ihnen so was passieren könnte, dass sie entführt werden … Jeff ist so hoch aufgeschossen, ich meine, er ist größer als ich, um Gottes willen …«
»Leg auf und lass die Finger vom Telefon«, sagte ich ihm. »Ich rufe dich gleich zurück.« Ich legte den Hörer auf die Gabel, und danach erschien mir jede Bewegung unmöglich. Meine Lähmung musste offensichtlich gewesen sein, denn Escobar kam sofort herbeigestürzt.
»Du bist weiß wie die Wand, Dunbar«, sagte er, »alles okay?«
»Nein.«
»Erzähl«, befahl er.
»Ich glaube, Durand hat sich Evans besten Freund geschnappt.«
Es laut auszusprechen riss mich aus meiner Starre. Ich hatte im Lauf der Jahre schon alle möglichen Krisensituationen erlebt, hatte Unmengen von Trainingseinheiten hinter mir und mich in Stresssituationen lobenswert gut verhalten. Aber jetzt konnte ich nichts anderes denken als O Gott, nein …
Sofort wurden die Truppen zu einer Notfallbesprechung in Vuskas Büro gerufen.
Er sagte mir unverblümt, dass er berechtigt sei, mich als Ermittlungsleiterin abzusetzen, weil ich keinen Anspruch mehr auf eine Führungsrolle in einem Fall hatte, bei dem meine Sicherheit oder die eines anderen Beamten durch überstürzte oder gefühlsgeleitete Aktionen meinerseits gefährdet werden könnte.
»Aber es liegt an Ihnen«, ergänzte er zu meiner Überraschung. Er hätte mir befehlen können, den Fall abzugeben, und eigentlich hätte er es wohl tun sollen.
»Warum, Fred? Sie müssen mich nicht an dem Fall lassen.«
Er zog mich beiseite, ein wenig weg von den anderen. Plötzlich fiel mir auf. wie abgespannt und bekümmert er wirkte. »Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht gleich von Anfang an auf Sie gehört habe«, gestand er. »Dies wäre vielleicht nicht passiert, wenn ich es getan hätte.«
Es war so etwas wie eine Entschuldigung. Ich nickte zustimmend und schürzte dabei die Lippen.
»Sie wissen mehr über diesen Kerl als wir anderen zusammen«, fuhr er fort. »Also brauchen wir Sie. Ich verlasse mich darauf, dass Sie mir Bescheid sagen, wenn es Ihnen zu viel wird, und wenn das passiert, erwarte ich, dass Sie sich sofort aus der vordersten Linie zurückziehen und beim Unterstützungsteam arbeiten. Dann sollen Escobar und Spence die Sache zu Ende bringen.«
Ich wusste, bevor wir hinausgingen, würde Fred meine beiden Kollegen beiseite nehmen und ihnen einschärfen, ein Auge auf mich zu haben und mich, falls nötig, zu bremsen.
Es gab keine logische Erklärung dafür, dass ich wieder ruhig war, als wir Freds Büro verließen. Ich schätze, im Innersten meines Herzens wusste ich, dass ich, falls Wilbur Durand wirklich vorhatte, den Freund meines Sohnes umzubringen, im Augenblick rein gar nichts dagegen tun konnte.
Als ich Kevin zurückrief, war besetzt. Ich wollte schon beinahe einen Streifenwagen vorbeischicken, als ich schließlich durchkam.
Er war völlig durchgedreht, fluchte, entschuldigte sich und bettelte darum, den Tag noch einmal von vorne anfangen zu dürfen.
»Kevin, beruhige dich. Tief durchatmen«, sagte ich. »Konzentrier dich darauf, einen klaren Kopf zu behalten. Ich muss dir jetzt sofort eine Menge Fragen stellen …«
»Mein Gott, Lany, könnte die mir nicht jemand anderes stellen?«
Jetzt war nicht die Zeit für ein Wiederaufbrechen alter Ressentiments. »Ich bin die
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