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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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aufgebrochen, bevor ich ganz ausgestiegen war.
    Wir rannten durch das Tor und die Auffahrt hoch. Ein Ziegelweg, den ein gewölbter Baldachin überspannte, führte von der Fahrbahn zur Haustür. Unter der dunkelgrünen Leinwand stand ein uns unbekannter junger Mann, nach der Kleidung zu urteilen ebenfalls eine Art Bediensteter. Wie der Boy trug er eine weiße Hose und ein kurzärmeliges Hemd. Er trug aber außerdem noch eine Fliege.
    Ich blieb stehen und zog meine Waffe. Spence kam bis auf Flüsterdistanz heran.
    »Hast du den Knaben schon mal gesehen?«, fragte er von hinten.
    Ich schüttelte den Kopf und setzte mich wieder in Bewegung. Die Waffe hielt ich auf den unbekannten neuen Mitspieler gerichtet.
    Das arme Schwein zitterte. Die anderen blieben ein paar Schritte zurück, während ich den Weg hochging – die Zeit, da ich immer die Nachhut gebildet hatte, war vorbei. Mit jedem Schritt, den ich machte, wurden die Augen des Jungen größer vor Angst. Kurz vor dem Leinwand-Vordach blieb ich stehen und zielte mit der Waffe auf sein Gesicht.
    »Heben Sie die Hände, und kommen Sie die Treppe herunter«, befahl ich. Sichtbar zitternd trat er zuerst mit einem Fuß herunter, dann mit dem anderen.
    »Kommen Sie näher«, sagte ich.
    »Vorsicht, Lany«, hörte ich Escobar rechts hinter mir sagen.
    »Immer«, erwiderte ich leise.
    Und dann tat ich etwas, das jeden überraschte, vor allem den Jungen. Ich spuckte mir auf die Finger meiner linken Hand und rieb mit meinem Speichel an seinem Gesicht, während ich ihm die Waffe dicht vors Gesicht hielt.
    »Lany, mein Gott …«, hörte ich Spence sagen.
    »Ich will nur sichergehen, dass es echte Haut ist.«
    Der zitternde Junge war bleich wie ein Gespenst und stumm.
    »Wo ist Wilbur Durand?«, fragte ich.
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    »Haben Sie vor ungefähr einer Stunde ein Paar Turnschuhe in die Abteilung Verbrechen gegen Kinder gebracht?«
    »Nein, das habe ich nicht.« Er sprach mit leichtem Akzent, möglicherweise hispanisch.
    Die Waffe war noch immer auf sein Gesicht gerichtet. »Haben Sie heute Morgen Lebensmittel ins Studio Ihres Chefs geliefert?«
    Seine Augen wurden noch größer, und er schüttelte noch einmal den Kopf. »Aber ich habe vor einer Weile gehört, wie das Garagentor auf- und wieder zuging.«
    »Wann?«
    »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Ungefähr?«
    »Am frühen Nachmittag, vielleicht um …«
    Ich unterbrach ihn. »Kam jemand oder fuhr jemand weg?«
    »Das habe ich nicht gesehen. Ich war in der Küche. Es gibt so viele Möglichkeiten, das Haus zu betreten und zu verlassen.« Er zögerte kurz und sagte dann: »Man sagte mir, dass er sich nicht gern stören lässt. Also störte ich ihn nicht.«
    Er hatte Angst; aus ihm würden wir nichts Vernünftiges mehr herausbringen, und die Zeit lief uns davon. »Gehen Sie den Weg entlang und stellen Sie sich den Beamten, die dort unten warten«, befahl ich.
    Er nickte eifrig und setzte sich in Bewegung. Den Blick starr auf den Lauf meiner Waffe gerichtet, drückte er sich mit noch immer erhobenen Händen an mir vorbei. Er lief einem uniformierten Beamten praktisch in die Arme.
    Ich drehte mich zur Tür um und starrte ins dunkle offene Maul der unergründlichen Bestie, die Jeff Samuels verschluckt hatte. Halt aus, Jeff, nur noch ein paar Augenblicke, ich komme dich holen …
    Ich legte die zweite Hand an die Waffe, die plötzlich hundert Pfund zu wiegen schien. Spence und Escobar waren direkt hinter mir, als ich durch die offene Tür trat; Escobar wollte an mir vorbei und vorausgehen, aber ich streckte den Ellbogen aus, um ihn zurückzuhalten. Draußen hörte ich Schritte – die anderen Beamten umstellten das Haus. Licht blinkte durch die Jalousien herein; die ganze Straße war erleuchtet. Das Krächzen der Funkgeräte war ohrenbetäubend. Falls Durand drinnen war, wusste er jetzt sicher, was wir wollten.
    Gut. Es wurde langsam Zeit, dass er Angst bekam.
    Auf mich wirkte alles sehr unwirklich; ich funktionierte rein instinktiv – in einem Augenblick Mutter, im nächsten Polizistin, manchmal beides gleichzeitig. Direkt vor mir lag das Wohnzimmer, der orangefarbene Schein des Abendhimmels drang durch das große Fenster, das in den hinteren Garten hinausging. Während ich mich den Gang entlangarbeitete, spähte ich kurz in jedes Zimmer und lauschte mit den Ohren eines Fuchses.
    Und dann hörte ich hinter einer geschlossenen Tür gedämpfte menschliche Stimmen. Spence und Escobar,

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