Die Schreckenskammer
wegen ihres Gesangs, und sie alle versprachen, seine Taten geheim zu halten.
Keiner von uns tat etwas, um all dem Einhalt zu gebieten, und als Magister Prelati kam, wurde alles noch schlimmer. Als die Nachricht von den Briefen des Bischofs uns erreichte – etwa um den 15. August herum –, wäre ich gerne davongelaufen, aber ich wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte. Ich hatte kein Geld, denn ich war nicht so gerissen gewesen wie De Briqueville und De Sille, die für ihre eigene Sicherheit vorgesorgt hatten, indem sie – Stück für Stück – Milord ein kleines Vermögen stahlen. Henriet und ich dagegen waren Milord weiterhin treu ergeben, denn wir liebten ihn, und nun wird sein Schicksal auch das unsere sein.
Milord selbst wurde täglich verzweifelter und wiederholte beständig seinen Schwur, mit einer Pilgerfahrt ins Heilige Land für die schweren Sünden zu büßen, die er begangen hatte. Er versprach, sich von seinem schlechten Leben abzuwenden und Gott um Gnade und Vergebung anzuflehen. In diesen dunklen Tagen kam mir die Ahnung, dass Gott ihm nie vergeben würde, was er getan hatte, und dass er auch mir meinen Anteil daran nicht vergeben würde.
Doch trotz seiner Schwüre und seiner Versprechen an Gott kehrte Milord nach einiger Zeit zu seinen Ausschweifungen zurück. Er brachte mich dazu, einen gewissen Knaben – sein Name war Villeblanche, wenn ich mich recht erinnere – mit dem Versprechen, ihn zum Pagen zu machen, seinen Eltern zu entlocken, und hieß mich weiterhin, für den Knaben ein Wams zu kaufen. Ich tat dies alles für ihn und brachte den Knaben dann in das Schloss von Machecoul, wo er dasselbe Schicksal erlitt wie alle anderen, die sich mit der falschen Hoffnung auf Verbesserung unschuldig hineingewagt hatten. Er wurde von Milord fleischlich missbraucht und dann von mir und Henriet ermordet. Und als er sein Leben ausgehaucht hatte, verbrannten wir seinen kleinen schlaffen Körper, der in den Flammen verschwand so wie die anderen vor ihm. Er war der Letzte, von dem ich weiß – für mich war es auf jeden Fall der Letzte. Ich wollte nichts Böses mehr für Milord tun. In dieser Nacht weinte ich lange und bitterlich. Und ich weine auch jetzt, jede Nacht.
Möge Gott unseren Seelen gnädig sein.
Später an diesem Abend, nach unserem Essen – für das keiner von uns rechten Appetit aufbringen konnte –, trat das Gericht noch einmal zusammen, und neue Zeugen wurden vereidigt, da mein Bischof erpicht darauf war, dieses Schauspiel zu einem Ende zu bringen, solange noch ein wenig Rechtschaffenheit in der Welt war. Der Marquis de Ceva, Bertrand Poulein und Jean Rousseau, die alle mit Milord in Saint-Etienne-de-Mer-Morte gewesen waren, wurden aufgerufen. Sie würden zu der Verletzung der kirchlichen Unantastbarkeit aussagen, die Milord an Jean le Ferron begangen hatte, dem Rektor dieser Kirche, der diese Liegenschaft im Namen seines Bruders Geoffrey in Besitz hatte. Am Mittwoch, wenn das Gericht in einer weiteren geschlossenen Sitzung zusammentrat, würden dieselben Zeugen den Schreibern, Richtern und den wenigen Beobachtern beschreiben, was Jean de Malestroit dank unserer Beobachtung auf dem Rücken unserer Pferde bereits aus eigener Ansicht kannte. Sie würden bestätigen, dass Gilles de Rais, der auf ein Kreuzverhör dieser Zeugen verzichtete – es wäre auch zwecklos gewesen –, Gottes Diener auf Erden Jean le Ferron angegriffen hatte in dem verzweifelten Versuch einer Rückeroberung, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Es war in Wahrheit ein Angriff auf Gott. Und Gott würde zurückschlagen.
32
In einem meiner Telefongespräche mit Doc hatte er diese prophetischen Sätze geäußert: Er gibt sich die allergrößte Mühe bei seinen Verbrechen, bereitet raffinierte Verkleidungen und detaillierte Inszenierungen vor – das alles scheint lächerlich und irrsinnig zu sein. Aber hier geht es ausschließlich um Kontrolle, und genau dadurch erreicht Durand sie. Kontrolle ist das Allerwichtigste für ihn. Das ist sie oft für eine Person, die in Umständen aufwächst, auf die sie kaum oder keinen Einfluss hat; aus dem, was diese Freundin der Familie erzählte, wissen Sie ja, wie es für ihn im Carmichael-Haushalt lief. In seinem ganzen Erwachsenenleben hat Wilbur Durand versucht – wie so viele andere seiner erbärmlichen Sorte auf ihre eigene kranke, entsetzliche Art –, ein völlig kontrollierbares Leben zu erschaffen, in dem alles genau nach seinem Geschmack geordnet und
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