Die Schreckenskammer
spät am Abend, als er mich rief, um sein kaum angerührtes Abendessen abzutragen. Ich fand ihn in einem Zustand offensichtlicher Aufgewühltheit. Deshalb zögerte ich einige Augenblicke, bevor ich etwas sagte. »Ich verstehe, dass Eure Gedanken heute quälerisch waren. Aber denkt an Eure Gesundheit. Wenn Ihr nicht esst, wird Eure Kraft schwinden. Und ich muss sagen, ein wenig mehr Schlaf könntet Ihr auch gebrauchen. Vielleicht ein früher Rückzug heute Abend …«
»Ich fürchte, noch eine ganze Weile nicht. Es ist viel zu tun. Ich muss mich mit Bruder Blouyn besprechen, bevor wir uns mit den anderen treffen.«
Sollten noch mehr Mitstreiter in dieses wimmelnde Turnier eingeführt werden? »Ich verstehe nicht. Welche anderen?«
Erst wollte er nicht so recht mit der Sprache heraus. Schließlich sagte er: »Fachleute.«
»Fachleute?«
»In der Kunst des Verhörs.«
Nun verstand ich die bis zum Überdruss verlesenen Erklärungen inquisitorischer Zuständigkeit. Man wollte Folter in diesem Prozess rechtmäßig machen.
Und äußerst schmerzhaft.
Der Finger muss in die Vorrichtung gelegt werden, Euer Eminenz, und dann muss an der Kurbel gedreht werden. Zuerst nur ein wenig, um ihm einen Vorgeschmack auf die Schmerzen zu geben, dann aber kräftiger. Wenn der Knochen aus dem Gelenk springt, wird er reden, außer er ist der Teufel selbst. Und wenn er nicht spricht, dann könnt Ihr dies als sicheren Beweis dafür nehmen, dass er mit dem Satan im Bunde steht.
Für diesen Rat würden die Fachleute großzügig entlohnt werden. Dass Verstümmelung Gewinn bringend sein sollte, erschien mir ein schrecklicher Gedanke.
»Aber … Folter …«
»Hat er nicht selbst aufs Fürchterlichste gefoltert? Kinder?«
Ich konnte nichts erwidern.
»Sie wird nur angewendet, wenn er sich weigert zuzugeben, was durch die Zeugenaussagen bewiesen wurde. Er hat geschworen, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit, er hat es vor Gott geschworen, und dennoch beharrt er darauf, dies alles nicht getan zu haben. Ich habe keine andere Wahl, Schwester, ich muss es auf diese Art aus ihm herausholen. In dieser Sache muss Gottes Wille Genüge getan werden.«
Gottes Wille muss immer Genüge getan werden.
Lange bevor der Hahn krähte, sprangen meine Augen auf. Das Erste, was ich sah, war Madame le Barbiers Kleid, das an der Tür hing wie der Gekreuzigte und darum bettelte, getragen zu werden.
Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, Milord Gilles von der drohenden Folter zu erzählen. Mochte er auch einst ein Held gewesen sein, ein Krieger, der um seiner Sache willen alle Arten von Schmerzen und Schwierigkeiten ertragen konnte, so war jetzt sein einziges Ziel die Selbsterhaltung, und die war kaum edel angesichts der verruchten Taten, die er begangen hatte. Er war weich und verletzlich geworden, und ich hoffte, dass die Androhung heftigsten Schmerzes ihn zur Vernunft bringen und er gestehen würde, was Jean de Malestroit von ihm verlangte. Es war an der Zeit, dass diese schreckliche Angelegenheit zu einem Ende kam, uns allen zuliebe. An diesem Morgen flüsterte ich nur ein einziges Gebet; ich flehte Gott an, Milords Herz umzustimmen und uns die Teilnahme an seiner Erniedrigung zu ersparen.
Das Kleid glitt wie eine Liebkosung über meine Schultern. Eilig zog ich Schleier und Umhang darüber und eilte auf den Hof hinaus.
Ich begegnete keinem Menschen auf meinem stillen Gang durch die Korridore zu den Gemächern im Oberstock, wo Gilles de Rais in verschwenderischem Prunk seines Schicksals harrte. Den ersten der Wachposten, der schon bei meinem ersten Besuch als Torwächter gedient hatte, traf mein Erscheinen unvorbereitet, denn er zog sein Schwert, bis er erkannte, dass die Schritte, die er gehört hatte, die meinen waren.
Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. » Je regrette, Madame. Aber wir haben den Befehl, besonders vorsichtig zu sein. Es sind Ränke im Gange, Milord zu töten, und jeder ist verdächtig.«
Dann geleitete er mich durch das Spalier der anderen Wachen, von denen uns keiner beachtete. An der Tür zu Milords Gemächern ließ er mich stehen, ohne mich vorher angekündigt zu haben.
»Hauptmann, solltet Ihr ihn nicht wecken?«
»Das ist nicht nötig, Madame. Er schläft kaum noch.«
Und in der Tat dauerte es nur kurz, bis Gilles de Rais im Salon erschien. Er bemerkte meine Anwesenheit am Rande des großen Raumes nicht. Es war meine Absicht gewesen, ihn anzusprechen, ihm zu erzählen, was ihm bevorstand, und zu
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