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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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strukturiert ist.
    Ansonsten kann er sich nicht sicher fühlen. Keine Minute lang.
    Das ging mir durch den Kopf, während ich mich darauf vorbereitete, den Mann zu fangen, der absolute Kontrolle über die Jungen ausübte, die er entführte, diese makellosen Leinwände, die er für seine perverse Kunst benutzte, die Verkörperungen seines jüngeren Ichs in den Händen seines Onkels Sean. Er zerstörte sein eigenes Gefühl der Hilflosigkeit, indem er es in den Jungen neu erschuf und sie dann zerstörte. Er war ein Machtbesessener mit der fixen Idee, sich seine verlorene Kindheit zurückzuholen, und im Augenblick hatte er Macht über jemanden, der meinem Sohn wichtig war.
    Und deshalb hatte er Macht über mich. Aber nicht mehr lange.
    Überall um mich herum herrschte hektische Aktivität. Wir waren fast fertig zum Aufbruch, als ein Anruf von der Vermittlung kam. Spence hob ab.
    »Für wen?«, hörte ich ihn fragen.
    Er horchte kurz zu und gab dann mir den Hörer.
    Unten wartete eine Einkaufstüte mit einem Paar blauer Nikes.
    »Innen drin sind Initialen – J.S.«, sagte die Telefonistin. »Aber Moment mal, da ist auch eine Nachricht.«
    Durchs Telefon hörte ich Papier rascheln.
    »Was soll denn das? Hier steht nur drauf: Aber ziehen Sie Ihre Schuhe aus, bevor Sie ins Haus kommen. «
    »Was ist?«, fragte Spence.
    »Er hat ihn im Haus. Ich hatte mir gedacht, dass er ins Studio fahren …«
    »Okay, dann fahren wir also da hin«, sagte Escobar. Man konnte das Adrenalin förmlich in seiner Stimme riechen; wir alle schwitzten das Zeug aus. Unser Training und unsere Berufspraxis, all die Übungen zu Verfahrensweisen und Materialeinsatz – das alles bekam nun plötzlich einen Sinn. Die Rituale des Kampfes, auf die man jeden von uns getestet hatte, würden nun selbst getestet werden. Letztendlich würde unser Erfolg nur von unserem Willen abhängen – wenn der Wille zum Sieg da war, würden Fähigkeiten und Hilfsmittel funktionieren wie beabsichtigt. Alles stand und fiel mit unserer mentalen Verfassung. Wieder einmal wurde ich zur Jägerin im Löwenfell, doch diesmal war ich umgeben von gleich gesinnten Jägern. Wir hatten unsere Speere geschärft. Wir setzten uns mit den Speeren in der Hand in Marsch. Wir waren hungrig.
    Wir würden fressen.
     
    Jeffs Turnschuhe waren eine gravierte Einladung. Komm und hol mich, sagten sie.
    Mein Herzschlag beschleunigte sich, als wir durch die Straßen des unteren Brentwood fuhren. Bäume und Zäune wischten vorbei und hinterließen vor meinem geistigen Auge Farbspuren wie auf einem lange belichteten Straßenfoto bei Nacht; Hunde bellten in Zeitlupe. Das Aufklatschen eines Insekts auf der Windschutzscheibe klang wie eine Pfahlramme. Während Spence fuhr, versuchte ich, mir den Grundriss des Hauses in Erinnerung zu rufen.
    Denken, denken, denken. Vorausahnen, was er tun würde. Letztendlich konnte ich nur zu einem Schluss kommen.
    »Er muss ihn in seinem Atelier zu Hause haben. Dorthin müssen wir zuerst.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil der Kerl ein Kontroll-Freak ist und nirgendwo sonst im Haus diese Art von Sauerei veranstalten würde.«
    Dieser Raum war durchsucht worden, als wir zum ersten Mal im Haus waren, da er aber am Ende des Ganges lag, war er als letzter drangekommen. Und als wir die Bänder in seinem Studio entdeckten, wurde das Haus zur Nebensache, die Durchsuchung des Ateliers geschah also höchst flüchtig.
    »Wenn wir uns nur diesen Raum besser angeschaut hätten.«
    »Wir müssen eben auf alles gefasst sein«, sagte Spence. »Es wird schon gut gehen.«
    »Meinst du.«
    »Ja.«
    Verhören konnte er besser als lügen.
    Häuser rauschten vorbei, als wir in die Hügel hochfuhren. Ich betete, dass Spence Recht behielt.
    Als wir ankamen, war die Straße verstopft mit so ziemlich jedem Streifenwagen der Polizei von Los Angeles – so kam es mir zumindest vor. Das Tor, durch das der Boy zuvor mit seinem Auto gefahren war, war wieder verschlossen. Ein ziviles Überwachungsfahrzeug stand noch vor dem Nachbarhaus, war aber jetzt versteckt hinter zwei Reihen blauer Blinklichter. Hinter dem hohen Zaun lag die moderne Festung, in dem der Verrückte mit einem Jungen in seiner Gewalt, den er für meinen Sohn hielt, lauerte. Auf mich. Alle anderen waren für ihn ohne Bedeutung.
    Escobar war aus dem Auto und wühlte im Kofferraum, bevor ich es so recht mitkriegte; dann tauchte er mit einem Bolzenschneider wieder auf. Er lief entschlossen auf das Tor zu und hatte das Schloss

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