Die Schreckenskammer
wir konzentriert.
Ich hörte ein dünnes Wimmern – Jeff vielleicht. Und dann Durands mädchenhafte Stimme: Still, Evan, deine Mutter wird jeden Augenblick hier sein, um dich zu retten, du brauchst also keine Angst mehr zu haben. Das ist alles bald vorüber.
Er hatte Evan gesagt. Nicht Jeff!
»Sehr schlampig, Wilbur«, flüsterte ich.
Ich hatte meinen Glauben schon vor langer Zeit verloren, aber jetzt betete ich so ernsthaft wie noch nie in meinem Leben. Nicht dafür, dass dies bald vorbei sein möge, nicht, dass es nie hätte passieren dürfen, beides Wünsche, die auch der grausamste und eifersüchtigste Gott als vernünftig betrachten würde. Nicht für Freisprechung von meinen Sünden oder für die Chance, mich noch einmal als perfekte Polizistin beweisen zu können; für die Erfüllung dieser beiden Wünsche war nicht genug Zeit.
Stattdessen betete ich für eine ruhige Zielhand und dafür, dass die Kugeln, die aus dem Lauf meiner Waffe schossen, Wilbur Durand in Herz und Stirn und Niere und Leber treffen würden, bis sein Licht für immer ausging. Ich füllte die Lungen mit Luft und bedeutete dann Spence und Escobar, dass ich hineinging.
Wieder trat ich die Tür auf, denn ich brauchte beide Hände für die Waffe. Knapp innerhalb der Tür stand eine große Holzkiste; ich duckte mich hinter sie und sah mich schnell um. Das Licht war unglaublich hell nach der Dunkelheit des Außenbereichs – mit Sicherheit war das von Durand so geplant.
Als meine Augen sich schließlich an die Helligkeit gewöhnt hatten, glaubte ich dreifach zu sehen; drei Jeffs waren auf der einen Seite des Raums in einer Art Halbkreis an drei Pfähle gefesselt. Alle drei hatten Blut auf dem Bauch, und die Eingeweide hingen heraus – o Gott, Eingeweide. Ich konnte nicht erkennen, ob sie echt waren oder nachgemacht.
Und ich konnte nicht unterscheiden, welcher der Jungen wirklich Jeff war. Bei Evan hätte ich es gewusst. Aber es war nicht Evan.
Wilbur Durand stand den dreien gegenüber hinter einer Kamera. Er lachte auf angesichts meiner Verwirrung und sagte: »Das hab ich ziemlich gut gemacht, nicht, Detective Dunbar?«
Ich ignorierte ihn und konzentrierte mich auf das Stöhnen der Jungen, weil ich hoffte, dass die Stimmen mir den richtigen verraten würden. Aber ohne die Vertrautheit von gesprochenen Wörtern war das unmöglich. Noch während ich lauschte, hörte ich die Geräusche von weiteren Personen, die ins Gebäude eindrangen.
»Draußen bleiben«, schrie ich zurück. »Keine Einmischung.«
»Vernünftiger Befehl.« Beim fiesen Klang seiner dünnen Stimme stellten sich mir die Nackenhaare auf. Es klang, als würde er sie extra für diesen Anlass elektronisch verändern.
»Hat Ihnen die kleine Ausstellung gefallen, die ich für Sie zu Hause aufgebaut habe, Detective?«
»Ich war nicht lange genug dort, um sie mir so genau anzusehen.«
»Schade. Das war gute Arbeit, muss ich selber sagen. Eine meiner besten.«
»Vermutlich. Ein paar Augenblicke lang hatte ich mich täuschen lassen. Hatte sich eine ganze Reihe von uns täuschen lassen. Guter Trick mit dem Boy übrigens.«
»Vielen Dank.«
»Aber wie gesagt, ich blieb nicht lange.«
Er schenkte mir das fieseste Lächeln. »Habe ich mir schon gedacht, dass Sie das nicht tun. Nicht, wenn die Hauptattraktion hier stattfindet.«
Ich musste weiter für Ablenkung sorgen, denn dann konnten sich Spence und Escobar vielleicht etwas ausdenken. Mit den beiden würde er sich nicht abgeben – ich war sein Opfer. Angestrengt schaute ich wieder zu den drei Jungen hinüber. Ihre Bewegungen wirkten überhaupt nicht mechanisch; sie sahen alle lebendig aus.
Und dann erkannte ich, dass sie alle lebendig waren! Der Mistkerl – er hatte Schauspieler engagiert.
Aber das konnte ich mir zu Nutze machen; richtigen Menschen konnte man auch richtige Angst einjagen. »Wenn er euch gesagt hat, dass es sich hier um eine Filmszene handelt, hat er gelogen. Das sind echte Waffen, und wir sind richtige Polizisten, und er wird euch allen wirklich die Gedärme rausziehen, bevor er hier fertig ist.«
Zwei der Jungen hoben den Kopf; und dann betrachteten sie mit angsterfüllten Augen ihren Bauch und das, was dort feucht glitzernd hervorquoll. Ich hielt meine Marke in die Höhe – was dumm war, denn wahrscheinlich hatte er ihnen gesagt, dass dies passieren würde. Dann schoss ich in die Decke, eine Lampe zersplitterte, Glas regnete herunter.
Nun fingen die zwei auf der rechten Seite an, sich gegen ihre
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