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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Stimme zu erheben, um sich Gehör zu verschaffen. »Als Vorbereitung darauf wird der Gerichtssaal geräumt.«
    Die Schreie des Widerspruchs kamen schnell, doch vermochte niemand zu sagen, ob sie der Folter selbst oder der angeordneten schicklichen Vertraulichkeit galten. Kaum war der Befehl erteilt, umringten Milords Wachen ihn in dichter Formation. Eine weitere Gruppe Wachen bewegte sich von den Rändern des Saals zur Mitte hin und begann, die Zuschauer hinauszudrängen, mich selbst und meinen Sohn eingeschlossen.
    Ich hielt stand, und im Vertrauen darauf, dass die Robe meines Ranges ein Wunder für mich wirken möge, bewegte ich mich, mit meinem Sohn im Schlepptau, zu einem Standplatz, wo ich unter den Letzten sein würde, die den Saal verließen. Am Richtertisch war Jean de Malestroit bereits wieder mit Pergamenten und Schreibern und Bruder Blouyn beschäftigt. Milord Gilles war von seinen Wachen hinausgeführt worden, wurde aber jetzt wieder hereingebracht. Er sah blass und erschüttert aus.
    Keinen Herzschlag später kamen durch eine Seitentür zwei sehr große Männer mit versteinerten Gesichtern herein, jeder mit einem Sack über der Schulter. Als die beiden ihre Lasten absetzten, klapperte der Inhalt laut und sehr bedrohlich.
    Gilles de Rais hörte dieses Klappern ebenfalls. Sein Blick wanderte zu den beiden Riesen, welche die Säcke hereingetragen hatten. Er starrte sie mit nacktem Entsetzen an, erhielt von ihnen aber nur kalte, schmaläugige Blicke der Gleichgültigkeit. Er brauchte keinen Zauberer, der ihm erklärte, dass seine Tage als Verschweiger der Wahrheit gezählt waren. In diesem Augenblick gewahrte ich den körperlichen Zusammenbruch seiner Entschlossenheit – der Zorn wich aus seiner Miene, die Verachtung aus seiner Haltung.
    Jean und ich waren nun, außer den Beteiligten, die Letzten im Gerichtssaal. Wir versteckten uns, so gut es ging, hinter einer großen Säule und versuchten, uns unsichtbar zu machen. Wir sahen Milord Gilles auf die Knie sinken, die Hände verzweifelt gefaltet.
    »Milord Bischof«, flehte er, »schiebt diese Folter bis morgen auf, was ja auch der dafür festgesetzte Tag ist. Bitte, ich flehe Euch an, lasst mich diese Nacht über die Verbrechen und Anschuldigungen nachdenken, die gegen mich vorgebracht werden. Ich werde Euch morgen in einem Ausmaße zufrieden stellen, die eine Anwendung der beabsichtigte Folter unnötig machen wird.«
    Als hätte Milord überhaupt nicht gesprochen, sagte Seine Eminenz leise: »Wir werden fortfahren.«
    »Bitte, ehrenwerte Richter, ich bitte Euch demütig, diese Sache zu erwägen, bevor Ihr fortfahrt. Und darüber hinaus flehe ich Euch an, gestattet dem Bischof von Saint-Brieuc und dem ehrenwerten Monsieur le Président, bei meinem Geständnis die Stelle meiner gegenwärtigen Richter einzunehmen, um der Gerechtigkeit willen.«
    »Ich versichere Euch, Milord, Eure gegenwärtigen Richter sind gerecht im Übermaß«, erwiderte der Bischof.
    »Dann gestattet um der Liebe Gottes willen diesen Austausch.«
    Jean de Malestroit saß wie eine Statue am Tisch, auf seinem Gesicht ein ernster und unergründlicher Ausdruck. Ich fragte mich, ob er enttäuscht war, dass der Angeklagte zu gestehen bereit war, aber nicht vor ihm; er würde des, wenn auch schändlichen Vergnügens beraubt, Gilles de Rais die Verbrechen gegen Gott und die Menschen gestehen zu hören, die seinen Tod verlangten.
    Dieser Tod, wie grausam er auch sein mochte, würde keine ausreichende Sühne darstellen für die Ungeheuerlichkeiten, die er begangen hatte. Aber kein Mensch würde leugnen, dass er dennoch angemessen und richtig war.
    In einem jeden von uns lebt der unstillbare Wunsch, noch einen weiteren Atemzug zu machen, noch einen weiteren Herzschlag zu spüren, noch einen weiteren Bissen zu kosten, noch einen weiteren Vogel durch den blauen Himmel fliegen zu sehen. So wollte auch Gilles de Rais, Mörder, widernatürliche Unzucht Treibender, Seelendieb und Beschwörer dunkler Geister, noch einen weiteren Sonnenaufgang erleben. Er würde das sicherlich tun, doch über diesen einen Tag hinaus gab es keine Sicherheit. Das wusste er so gut wie jeder von uns.
    »Milords, bitte gewährt mir dies, den Wunsch eines Mannes, der bald seine Seele aufgeben wird.«
    So flehend vorgebracht, konnte diese Bitte kaum abgeschlagen werden. Jean de Malestroits Gesicht zeigte Enttäuschung. »Nun gut«, hörte ich ihn sagen, »So soll es denn sein.«
    Er wandte sich an die Schreiber und sagte:

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