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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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fauligen Gestank riechen.
    Wo war George Lucas, wenn man ihn brauchte? An diesem Morgen hätte ich einige Spezialeffekte gut gebrauchen können. Tränensäcke unter den Augen, Haare, die mir im Spiegel nur ein verächtliches Ach, lass es entlockten. Ich funktionierte mit Adrenalin, aber der Tank war fast leer. Als ich bei der Morgenbesprechung aufstand und über den Fall berichtete, hatte ich Angst, ich müsste mich mittendrin übergeben. Danach sagte einer der Jungs zu mir: »Du klingst fix und fertig.«
    »Ja«, antwortete ich ihm. »Du musst ein Detective sein.«
    Von der Besprechung ging ich direkt in Lieutenant Fred Vuskas Büro, um ihm einen ausführlicheren Bericht zu geben. Fred ist ein wirklich guter Mann, der sich für uns alle in der Abteilung bei seinen Vorgesetzten einsetzt, die richtige Arschlöcher sein können. Aber er steht unter großem politischem Druck, der arme Kerl. Er war immer das Verbindungsglied zwischen den Leuten, die die Arbeit machen – wir –, und denen, die darüber theoretisieren, wie wir sie machen sollten, üblicherweise »die« genannt. Das Letzte, was er von mir hören wollte, war eine Bitte um zusätzliches Personal für eine gründlichere Suche nach Nathan Leeds.
    »Alle Streifenwagen waren gestern Nacht unterwegs auf der Suche nach diesem Jungen. Keiner hat ihn gesehen. Sie wissen ja gar nicht sicher, ob er wirklich verschleppt wurde. Er könnte doch auch ausgerissen sein.«
    »Wir haben seine Jacke gefunden.«
    »Die hat er wahrscheinlich verloren. Oder weggeworfen, weil sie ihm nicht cool genug war. Ich will Ihnen gar nicht sagen, wie viele Jacken meine Kinder verlieren.«
    »Ich habe einfach nur das Gefühl, dass der Junge kein Ausreißer ist.«
    »Gestützt auf was?«
    Ich wollte sagen: Dieses Mädchen-Ding, das ihr nicht kapiert, das Ding, das wir Intuition nennen. Aber das wäre respektlos und sexistisch gewesen, und diese Art von Selbstgerechtigkeit hatte man mir ja abtrainiert. »Ich habe das Zuhause gesehen, mit der Mutter gesprochen.«
    »Auch schon andere Befragungen durchgeführt?«
    »Nur mit einer Anwohnerin dieser Straße, aber das war ein echter Schnellschuss, und sie hatte mir eigentlich nichts zu sagen.«
    Er starrte mich lange und ungläubig an.
    »Lany, machen Sie Ihre Befragungen. Wenn Sie irgendwas ermitteln, das Sie in ihrem Gefühl bestätigt, dass der Junge nicht einfach nur davongelaufen ist, kommen Sie damit zu mir. Wir schauen es uns dann noch einmal an.«
    »Mein Gott, der Junge ist zwölf.«
    Jetzt wurde er zynisch. »Schauen Sie sich doch ein paar dieser Zwölfjährigen an. Kommen Sie. Ich fahre mit Ihnen nach Venice Beach, und wir fragen die Punks, die dort herumhängen, wie alt sie sind. Machen Sie sich auf die Socken, und finden Sie was Handfestes.«
    Das Training hatte bei Fred offensichtlich nicht gewirkt.
     
    Mittlerweile verspürte ich den ernsthaften Wunsch, ich hätte einen Schlüssel zur Eingangshalle von Ellen Leeds’ Gebäude. Ich konnte natürlich bei ihr klingeln und sie bitten, mich einzulassen, aber dann würde sie erwarten, dass ich zu ihr komme, um sie auf den neuesten Stand zu bringen, und im Augenblick war ich etwas zu reizbar, um diplomatisch mit ihr umgehen zu können. Also wartete ich, bis jemand herauskam, zeigte demjenigen meine Marke und wurde eingelassen.
    Ich brauchte einige Augenblicke der Orientierung, um herauszufinden, welche Wohnungen auf welcher Gebäudeseite mich überhaupt interessierten. Es mussten alles Eckwohnungen oberhalb der dritten Etage sein, denn alle anderen lagen zu tief oder im falschen Winkel zum Tatort. Das erleichterte mir die Arbeit, um die gesamte Westseite des Hauses brauchte ich mich also nicht zu kümmern.
    Es war gegen neun Uhr dreißig, es würden also nicht allzu viele Bewohner zu Hause sein. Die erste Wohnung, bei der ich klingelte, war leer, ich schrieb also Bitte rufen Sie mich an auf eine Visitenkarte und klemmte sie in den Türspalt. Der Bewohner auf der vierten Etage war zu Hause, aber sehr verärgert, weil er Nachtschicht gehabt hatte und eben erst ins Bett gestiegen war. Er sagte, er sei gestern erst gegen halb zehn nach Hause gekommen, und zu diesem Zeitpunkt war das Verbrechen (falls tatsächlich eins vorlag) bereits begangen worden und der Täter verschwunden. Ich ließ mir Namen und Telefonnummer seines Arbeitgebers geben, um mir seine Angaben bestätigen zu lassen, dankte ihm dann und entschuldigte mich, weil ich ihn geweckt hatte.
    Auf der fünften Etage war niemand zu

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