Die Schreckenskammer
stieg er in das Auto ein.«
Genau dort, wo wir die Jacke gefunden hatten. Aber sie hatte das Auto gesagt, nicht ein Auto. »Bitte beschreiben Sie mir das Auto.«
»Ach, das ist gar nicht nötig. Sie können einfach runtergehen in die Garage und es sich selbst ansehen. Natürlich müssen sie warten bis später. An den Tagen, wenn sie wegfährt, kommt sie normalerweise erst zur Abendessenszeit nach Hause.«
Sie? Ich verstand nicht. »Soll das heißen, dass jemand aus diesem Gebäude ihn auf dieser Straße mitgenommen hat?«
»Nicht irgendjemand, meine Liebe, sondern seine Mutter.«
Ich weiß nicht, warum ich so wütend war. Eigentlich hätte sie zu den Ersten gehören müssen, die ich verdächtigte. Aber sie wirkte einfach nicht so.
Aber das hatte Susan Smith auch nicht, zumindest nicht nach außen hin. Andrea Yates … na ja, was kann man über die sagen? Smith war zumindest nicht verrückt. Sie hatte eine ziemliche Show abgezogen. Schwarzer Autodieb, meine Güte, aber die Beamten, die den Fall bearbeiteten, hatten sie bald durchschaut. Ich habe gelesen, dass die Ermittler sie schon am Tag des Verschwindens ihrer Söhne der Lüge verdächtigten. Die Geschichte klang einfach zu glatt, hatte einer von ihnen gesagt. Sie weinte, aber nicht an den richtigen Stellen. Meiner Meinung nach muss etwas völlig im Argen liegen, völlig verquer laufen, wenn eine Mutter ihren eigenen Kindern wehtut. Um sie umzubringen, muss sie eine Art Alien sein.
In einem unserer Fortbildungsseminare zur Täterprofilierung wurde auch ein Artikel über Smith behandelt. Ein Seelenklempner hatte viel Zeit damit zugebracht, sie zu befragen und dann zu analysieren, warum sie etwas so Unvorstellbares getan haben könnte, wie ihre Kinder im Auto festzuschnallen und es dann in einen See zu schieben, während sie drinnen schrien und weinten – er hatte alle möglichen Theorien über genetische Befehle und tief verwurzelte psychologische Zwänge. Sie habe ihre Kinder getötet, weil der Mann, den sie heiraten wollte, keine Lust hatte, sich um sie zu kümmern. Er wollte seine eigenen.
Der Psychiater führte weiter aus, dass dies ein »logisches biologisches Verhalten« von Seiten des Mannes sei – genau das waren seine Worte, das weiß ich noch genau, weil es mich so wütend machte. Männer, behauptete er, stünden unter dem »reproduktiven Zwang, Rivalen zu eliminieren«, die um Dinge konkurrieren, die seine eigenen Kinder vielleicht brauchen. Er sagte, wenn die Mutter Kinder von einem anderen Mann hätte, würde sie diese auf Kosten der Kinder bevorzugen, die sie mit diesem neuen Mann haben mochte, und dies würde die Verbreitung seines genetischen Materials gefährden.
Ich sage, das ist Blödsinn. Männer sind nicht so schlimm. Und wenigstens war der Kerl ehrlich zu ihr. Aber ein ehrlicher Mistkerl ist immer noch ein Mistkerl, und er hätte es besser wissen müssen, als sich mit einer Frau einzulassen, die kleine Kinder hat, weil das nichts als Kummer und Sorgen produziert. Und was Susan Smith selbst angeht: Für jemanden, der seine Kinder umbringt, fehlen mir die Worte.
Aber ich würde Gelegenheit haben, mit Ellen Leeds zu sprechen, und für sie würde ich Worte finden. Unmengen von Worten. Und Training hin oder her – sie würden weder einfühlsam noch respektvoll sein.
5
Le printemps zeigt sich hier bei uns in Avignon schon in voller Blüte, Maman. Der Fluss ist angeschwollen vom kürzlichen Regen, und überall leuchten Farben. Die ganze Erde bereitet sich auf die wunderbare Wiedergeburt unseres Herrn vor, und voller Freude erhebe ich mich jeden Tag von meinem Lager, gibt es doch so viel, für das wir ihm danken müssen.
Ich weiß, dass es im Norden noch sehr kühl sein muss, aber hier hatten wir bereits einige heiße Tage. Ich sehne mich danach, diese schwere Kutte gegen leichtere Gewänder zu tauschen …
Kein Mensch war in Hörweite. Ich griff an den Saum meines Schleiers und sagte laut: »Ach, mein lieber Sohn, wie gut verstehe ich diesen Wunsch, sich der Tracht zu entledigen.«
Seine Briefe waren immer voller süßer Witzeleien, redselig auf eine vertraute Weise, selten aber enthielten sie wirkliche Nachrichten, denn seine Stellung verlangte Vertraulichkeit. Dennoch vermeldete mir dieses Schreiben eine wundervolle Erweiterung des zuletzt Berichteten.
Täglich übernehme ich neue Pflichten, und wie es den Anschein hat, vertraut man mir völlig; es gehen Gerüchte, dass ich bald befördert werde … Manchmal kann ich mein
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