Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
Vom Netzwerk:
sich nicht vom Stoff lösten, als ich sie aufhob, sah die Jacke sauber aus und war in einem ausgezeichneten Zustand.
    Das Stück Papier war, wie ich gehofft hatte, wirklich eine Quittung. Der Drucker brauchte offensichtlich eine neue Kartusche, denn die Beschriftung war kaum zu entziffern. Kurz überlegte ich mir, ob das Papier vielleicht schon eine ganze Weile dort draußen gelegen hatte und vielleicht doch hingeweht worden war. Aber ich konnte die Buchstaben und Ziffern eben noch entziffern, es war eine Quittung über den Kauf eines Kartons Milch und einer Schachtel Zigaretten in einem Laden gleich um die Ecke an diesem Morgen um zwei Minuten nach acht, und zu dieser Zeit hatte die Jacke aller Wahrscheinlichkeit nach bereits auf dem Boden gelegen.
    In den Taschen fand ich nicht viel, zumindest nichts, was sie als Nathan Leeds’ Jacke hätte identifizieren können. Es war kein Name eingestickt oder aufs Etikett geschrieben – mit zwölf Jahren würde er das seiner Mutter bestimmt nicht mehr erlauben, wie mein eigener Sohn Evan, der mich in diesem Alter beinahe gekreuzigt hätte, als er mich mit einem Magic Marker in der einen Hand und seiner neuen Windjacke in der anderen ertappte.
    Mom, was soll denn das, ich bin doch kein Baby mehr … Jeffs Mutter hat schon vor Jahren damit aufgehört …
    Ich zog drei leere Kaugummipapiere und drei Pennys heraus. Aber keinen Geldbeutel, den hatte er sicherlich in der Schultasche. Während die Streifenbeamten weiter das Gelände absuchten, ging ich zum Auto zurück, um die Beweismittel zu verstauen und mir das Foto noch einmal anzusehen, das Nathans Mutter mir gegeben hatte. Es war eine Aufnahme im Freien; er trug allerdings nicht die fragliche Jacke, sondern ein T-Shirt. Der Aufdruck zeigte die zahnreiche, bedrohliche Silhouette irgendeines Ungeheuers, umgeben von dem Schriftzug La Brea Tar Pits. Es sah sehr beängstigend aus.
    Inzwischen dürfte der Junge selbst sehr verängstigt sein. Falls er noch am Leben war.
     
    Weitere Streifenwagen kamen hinzu und sperrten das Gelände ab. Die ganze Nacht lang würde ein armer Anfänger in seinem Auto an einem Ende des abgesperrten Geländes sitzen müssen, um es vor Zerstörungen durch Passanten zu schützen. Und ich würde früh am nächsten Morgen mit einem Spurensicherungsteam zurückkehren, um alles noch einmal bei Tageslicht zu untersuchen. Ich hätte mir Hochleistungsscheinwerfer bringen lassen können, aber für eine detaillierte Suche ist Tageslicht das Beste, weil man bei Kunstlicht einfach nicht dasselbe sieht. Und die Entführung, falls es tatsächlich eine gegeben hatte, hatte bei Tageslicht stattgefunden, soweit ich das feststellen konnte. Man kann so viel erkennen – vielleicht ist erspüren das bessere Wort –, wenn die Bedingungen, unter denen das Verbrechen stattfand, reproduziert werden können.
    Es war ein Uhr morgens, und ich wusste, dass Nathans Mutter noch wach sein und wahrscheinlich sogar neben dem Telefon sitzen würde. Das hätte zumindest ich in dieser Lage getan. Ich roch Zigarettenrauch, als Ellen Leeds die Tür öffnete. Eine dünne Rauchfahne stieg träge von der glühenden Spitze der Kippe in ihrer linken Hand hoch. Sie schob die Hand sofort hinter den Rücken. Vielleicht hatte ich unbewusst die Nase gerümpft.
    »Normalerweise rauche ich in der Wohnung nicht.«
    »Ich würde inzwischen rauchen wie ein Schlot, wenn ich Sie wäre.«
    Sie winkte mich mit der freien Hand in die Wohnung und schloss die Tür hinter mir, mit demselben Klickklack von Schlössern, das ich schon einmal gehört hatte. »Ich weiß, dass es sehr spät ist«, sagte ich als eine Art Entschuldigung, »aber ich dachte, Sie wollten sofort informiert werden, wenn sich irgendetwas ergibt.«
    Die Plastiktüte mit ihrem Inhalt konnte sie nicht sehen. Sie steckte in einer großen Leinentasche, die ich immer im Auto lasse. Ich trage Indizien nicht gern vor aller Augen spazieren, sondern versuche, sie vor Blicken zu schützen, soweit das möglich ist.
    Hoffnung huschte über ihr Gesicht und ließ sie um Jahre jünger wirken. »Haben Sie ihn gefunden?«
    »Nein, das haben wir leider nicht. Aber es gibt ein Indiz, das Sie sich ansehen sollten.«
    Die Jahre kehrten mit scheußlicher Grausamkeit zurück. »Was für ein Indiz?«, flüsterte sie voller Angst.
    »Eine Jacke.«
    Sie schloss die Augen und schwieg einige Sekunden. Dann öffnete sie sie wieder und fragte: »Ist Blut daran?«
    »Nein. Zumindest nicht, soweit ich das im Augenblick sehen

Weitere Kostenlose Bücher