Die Schreckenskammer
ist. Sie liebte dieses Tier in einem fast Ekel erregenden Maße. Der Hund konnte offenbar nicht bellen, sondern gab ein höchst klägliches Jaulen von sich, was dem jungen Gilles missfiel, der sich dafür rächte, indem er den Hund gnadenlos piesackte. Ich weiß, dass er eifersüchtig auf das Tier war, das von Madame Marie viel mehr Aufmerksamkeit erhielt als er selbst. Als man deshalb das Tier tot und an seinem lockigen Schwanz aufgehängt fand, gab es kaum einen Zweifel daran, wer es getan hatte. Da am Kadaver des Tieres keine anderen Spuren zu sehen waren, konnten wir nicht sofort feststellen, wie es gestorben war. Aber tot war es mit Sicherheit.
Er hat den Hund erwürgt, behauptete unsere Hebamme.
Aber woher wollte sie das wissen?
Schaut unter dem Fell an seinem Hals nach – dort werdet Ihr dunkle Flecken finden. Ich habe solche Flecken bei Männern gesehen, die gegeneinander mit den Händen kämpften, weil sie beide ihre Waffen verloren hatten.
Ich habe mich oft gefragt, warum Madame Catherine Karle Milord so aufmerksam beobachtete. Sie war diejenige, die zu spät zu seiner unvermittelten Geburt gekommen war. So oft hatte sie gesagt, dass seine Ankunft eine unheilige gewesen sei, voller schlimmer Vorzeichen.
Natürlich war Madame Marie völlig verzweifelt, doch mehr über den Verlust des Hundes als über die beängstigende Tat ihres Sohnes. Er ist ein Junge, sagte sie immer, als würde dies sein böses Verhalten entschuldigen, das so oft ohne Vorwarnung aus ihm herausbrach. Da ich eine gewissenhafte Dienerin bin, nahm ich es auf mich, mir Gedanken zu machen, und kam zu dem Schluss, zu dem auch jede andere Amme kommen würde: dass ich besser auf seine moralischen Stärken hätte achten, mehr Strenge bei seinen Ausbrüchen hätte zeigen und eine besser Formerin seines Charakters hätte sein müssen.
Es ist nicht deines Amtes, ihn zu formen, sagte Etienne immer zu mir. Ich widersprach ihm nie; das war wahrlich nicht meines Amtes.
Guy de Laval machte keine Anstalten, seinen Sohn zu bestrafen. Erst der Furcht einflößende Jean de Craon schaffte es, ihm schließlich ein Geständnis abzuringen. Der Junge Gilles stand zitternd vor seinem Großvater, der niemandem Mätzchen durchgehen ließ. Ausrede um Ausrede heulte er heraus, um zu rechtfertigen, warum er das erbärmliche Ding so hatte hängen lassen, dass seine Mutter es finden musste, mit seinen tot starrenden Augen und der aus dem klaffenden Maul hängenden Zunge.
Der Hund war so laut, dass es gottlos war, der Hund war nicht zu beherrschen, der Hund war eine Teufelsbrut.
Wie sehr wünschte ich mir, dass es auch nur ein Wort der Reue gegeben hätte; doch es kam nie eins, und Gilles de Rais wurde auch keine Strafe für seine Grausamkeit auferlegt. Ich hatte aber auch keine Zeit, ihn in dieser Angelegenheit zurechtzuweisen: Ich musste die sterblichen Überreste meiner Mutter waschen, ankleiden und für die ewige Ruhe vorbereiten. Und auf jeden Fall hätte eine solche Lektion von mir im Geheimen erteilt werden müssen, denn der Patriarch Jean de Craon nahm meine Einmischung nicht gnädiger hin als die eines anderen.
Die Goldkette, die ich an diesem Tag von Mamans Hals genommen hatte, hüpfte leicht auf meiner Haut, als meine Eselin einen hügeligen Pfad hochtrottete. Ich war nicht länger enttäuscht, weil ich kein edleres Reittier hatte, sondern ziemlich glücklich darüber, denn meine trittsichere Trägerin meisterte die Steigungen und Abhänge mit eseliger Könnerschaft. Doch im Verlauf des Tages verließ mich dieses Glücksgefühl – sie schrie umso mehr, je schwieriger das Gelände wurde, und am späten Nachmittag litt ich an mächtigen Kopfschmerzen.
Aber mir wäre nie in den Sinn gekommen, sie nur um der Stille willen zu erwürgen.
Ich wanderte ein wenig ziellos hin und her, hielt in vielen kleinen Dörfern an, um mein Tier zu tränken und mir ein wenig Erholung von seinem Schwanken zu gönnen. Und wo immer ich einen Brunnen fand, gab es auch jemanden, der eine Geschichte zu erzählen hatte.
Sieben Jahre alt, schön wie ein Engel, jetzt verschwunden – und so ein guter junge, keiner, der seine Eltern je enttäuscht hätte …
Wir wissen nicht, was aus ihm wurde, ob er am Leben oder tot ist, denn seit er betteln ging, ist er spurlos verschwunden …
In meiner Satteltasche hatte ich Empfehlungsschreiben von Jean de Malestroit, der sich sehr großzügig zeigte in dem, was er für mich erbat; doch alles, was er forderte, wurde mir gewährt, wenn
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