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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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denen ein Gespräch nur über Telefon möglich ist.
    »Anscheinend führt er sich gut«, sagte ich leise.
    Spence räusperte sich. »Man kann es sich auch angenehm machen.«
    Jesse Garamond trug einen dieser vertrauten, leuchtend orangefarbenen Overalls, die in der Außenwelt, wo kein Normaler sich je in dieser Farbe erwischen lassen würde, so herrlich unübersehbar sind. Er hatte einige Tattoos mehr als zu der Zeit, als ich ihn das letzte Mal sah, am Tag seiner Verurteilung, als er aus dem Gericht geführt wurde. Seine schütteren Haare waren zu einem zotteligen Pferdeschwanz zusammengebunden, und von einem Ohr baumelte ein Goldring von beachtlicher Größe. Ich fragte mich, warum man ihm den Ring nicht herausgerissen hatte. Sein Mund war unter dem Schnurrbart kaum zu erkennen.
    Er lächelte richtig, als er Spence sah. »Mann, allmählich kommen Sie mir vor wie ein Mitglied der Familie.«
    »Wie geht’s, Jesse?«
    »Ganz okay, kann mich nicht beklagen. Die lassen mich hier größtenteils in Ruhe, weil ich für mich bleibe. Ich schreibe ’nen Roman, wissen Sie, also brauche ich Ruhe. Die anderen Jungs wollen nicht, dass ich was Schlechtes über sie schreibe, deshalb lassen sie mir meinen Freiraum.«
    Spence räusperte sich. »Ist ja sehr interessant.«
    Jesse ließ sich nicht zum Narren halten. »Und, was ist der Grund dieses unerwarteten Besuchs, nicht, dass ich was gegen Gesellschaft hätte, vor allem, da Sie so anständig sind, eine Dame mitzubringen, die man sich anschauen kann …«
    »Detective Dunbar bearbeitet einen Fall, der Ähnlichkeiten mit Ihrem hat, und sie will Ihnen ein paar Fragen stellen«, sagte Spence.
    »Echt? Bin ich ein Verdächtiger? Weil, wenn ich es bin, will ich einen Anwalt.«
    Er grinste, als er unsere Mienen sah. Ein Goldzahn blitzte in seinem Mund. Er glotzte mich lüstern von oben bis unten an; es war unheimlich und unerwünscht. Dann wurde seine Miene kalt. »Von wegen, sie arbeitet an einem ähnlichen Fall. Sie wollen mich nur dazu bringen, dass ich sage, ich hätte den Jungen abgemurkst, damit Sie besser schlafen können, das ist alles. Mann, verschwenden Sie doch keine Zeit und keine Steuergelder. Ich hab’s nicht getan. Ich habe es Ihnen schon tausendmal gesagt, und ich sage es Ihnen noch einmal. Also sperren Sie die Ohren auf: Ich habe den Jungen nicht umgebracht. Dieses erste Mädchen habe ich mir vorgenommen, ja, aber ich bin kein Kindsmörder. Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen? Schämen Sie sich, dass Sie sich mit diesem Blödsinn hinter einem Rock verstecken. Also, warum schaffen Sie Ihren schlaffen Arsch nicht hier raus und finden den Kerl, der es wirklich getan hat, wenn Sie wissen, was ich meine. Tun Sie was Produktives. Verdienen Sie sich meinen Respekt.«
    »Mr. Garamond«, warf ich dazwischen.
    »Sie können mich Jesse nennen, schöne Frau. Und verschwenden Sie keine Zeit damit, mir Fragen über diese anderen Fälle zu stellen. Ich bin hier drinnen, erinnern Sie sich. Ich kann also gar nichts getan haben. Und gehört habe ich auch nichts.«
    »Mr. Garamond«, wiederholte ich, »ich weiß, dass Sie bereits mit Detective Frazee ausführlich über Ihren Fall gesprochen haben, aber ich möchte Sie gern noch einmal befragen. Gibt es irgendetwas, das Sie damals zu erzählen vergessen haben? Ich weiß, dass das eine schwierige Zeit für Sie war. Und ein solcher Stress kann einen vergesslich machen.«
    »Ich hab rein gar nichts vergessen. Ich habe Mister Detective alles erzählt, was ich erzählen konnte. Ich war mit der Frau meines Bruders zusammen. Das hat sie Ihnen bestätigt. Jetzt sitze ich für etwas, das ich nicht getan habe, weil ich nicht will, dass es zwischen meinem Bruder und seiner Frau zu Schwierigkeiten kommt.«
    »Das ist wirklich bewundernswert«, sagte ich. »Aber es müssen doch bereits Schwierigkeiten zwischen den beiden bestanden haben, wenn Sie Sex mit ihr hatten.«
    »Nee«, sagte er. »Ich hab’s ihr ein paarmal besorgt, so als Gefälligkeit, wenn er wegen der Reservistenscheiße, die er macht, ein paar Wochen lang nicht in der Stadt sein konnte. Keine Ahnung warum – aber er lässt seine Alte und die Kinder ganz allein. Sie fühlte sich eben einsam. Ich hab mich einfach an seiner Stelle um sie gekümmert.«
    »Sehr brüderlich von Ihnen.«
    »Ja. Dafür sollte man mich früher hier rauslassen.«
    »Sie haben es doch jetzt schon hier drinnen ganz gut«, sagte Spence. »Als ich das letzte Mal hier war, waren Sie noch in einem dieser

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