Die Schreckenskammer
»Er wurde dort getauft.«
»Offenbar hält auch er es für einen Fehler, Schwester. Er hat es ruchlos zurückgestohlen. Der Verkauf war ein verzweifelter Versuch, sich Mittel zu beschaffen, weil seine Ausgaben seine Truhen geleert haben.«
»Ist seine Lage inzwischen so schlimm?«
»Man verkauft, was man kann, Schwester, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, sich Gold zu verschaffen. Aber – gemeines Räubertum?«
Es würde Vergeltungsmaßnahmen geben, und sie würden schnell kommen. Eine Weile versuchte ich, Seine Eminenz davon zu überzeugen, dass Vorsicht angebracht sei, solange wir nicht mehr Kunde über die Angelegenheit hätten – wir hatten nur den ersten Bericht, und wenn wir erst einmal alle Seiten gehört hätten, würden wir sicherlich ein weniger heimtückisches Bild der ganzen Geschichte erhalten. Das hoffte ich zumindest.
Jean de Malestroit hegte keine solchen Gefühle der Nachsicht.
»Ich bin mir sicher, dass der Bericht der Wahrheit entspricht, und absolut empört, dass solche Gräuel einem unbewaffneten Bruder in Christus angetan werden, einem Mann, der nur die von ihm erwartete brüderliche Pflicht erfüllte.«
»Aber Ihr habt nur einen Bericht.«
»Einen verlässlichen.«
»Dennoch, wenn Ihr Euch mit eigenen Augen überzeugt, wird Eure Seele in dieser Sache eher Frieden finden«, sagte ich.
»Ich vermute, es ist wohl eher Eure Seele, die Frieden finden will.«
Ich bettelte und flehte, und schließlich willigte er ein. Es wurde beschlossen, dass wir am nächsten Morgen in aller Frühe aufbrechen sollten. Während wir in den verbliebenen Stunden des Tages hastige Vorbereitungen trafen, wütete der Bischof gegen Milord Gilles und verfluchte ihn ob seiner sündigen Ausschweifungen. Der Mann kennt keine Grenzen – überhaupt keine! Er wirft mit Gold um sich, als könnte er es von einem Baum pflücken. Und wenn die Früchte dieses Baumes geerntet sind, stiehlt er sich einfach einen anderen. Er macht Geschäfte mit dem Teufel und vergnügt sich in der Gesellschaft von Alchimisten.
»Eminenz!«, rief ich, als ich dies hörte. »Das sind wirklich schwer wiegende Beschuldigungen – Ihr sprecht von Blasphemie.«
»Ja«, sagte er seelenruhig.
»So habt Ihr Euch dazu herabgelassen, an … Hörensagen zu glauben.«
»Ich habe Grund zu der Annahme, dass es nicht Hörensagen ist, sondern ganz einfach die abscheuliche Wahrheit. Von verlässlichen Zeugen habe ich gehört, dass der Mann sich den schwärzesten aller Riten hingibt. Ich gelange allmählich zu der Überzeugung, dass es wahr ist.«
Seine Miene wurde weich, fast mitfühlend, denn er wusste, welche Wirkung eine solche Nachricht auf mich haben musste. »Ich habe im Dorf von Machecoul Nachforschungen anstellen lassen«, sagte er, »vorsichtig und im Geheimen. Viele der Tagesbediensteten leben dort, manche direkt im Schatten des Schlosses. Vor diesen Leuten kann man kein Geheimnis bewahren – ihr Leben ist so schlicht und grausam, dass sie Vergnügen darin finden, jene zu beobachten, die sie beherrschen. Und es gibt viel Gerede. Sehr viel. Wieder und wieder heißt es, dass Milord diesen Italiener Prelati beständig um sich hat und dass sie zusammen die schwarze Kunst praktizieren.«
Ich bekreuzigte mich, um das Undenkbare abzuwehren. »Aber … das ist doch vollkommen verboten.«
»Alles Verbotene wird im Geheimen praktiziert, Guillemette. Diese Dinge sind verboten, weil sie zu verlockend sind, als dass die Schwachen ihnen widerstehen könnten, und weil sie die ansonsten Unschuldigen in den Untergang treiben. Wir verbieten sie, um jene zu schützen, die sich nicht selbst schützen können. Gilles de Rais beherbergt diesen Zauberer Prelati, seit Eustache Blanchet ihn zu ihm brachte.«
Er hatte eingehend gegen Milord ermittelt, ohne mir von den Ergebnissen zu berichten. Obwohl das sein Recht – ja sogar seine Pflicht – war, verletzte es mich, dass er mich übergangen hatte. Obwohl ich gestehen muss, dass ich gar nicht hören wollte, was er mir jetzt offenbarte. Ich kniff die Augen zusammen und vergaß dabei, dass es die Ohren waren, nicht die Augen, die das Hören besorgten, fast so, als würde, wenn ich den Sprecher nicht sähe, seine Rede sich als unwahr erweisen.
»Blanchet selbst weicht Milord fast nie von der Seite«, fuhr er fort. »Aber nicht, weil er so hoch geschätzt ist. Nein, Milord gestattet es nicht, weil er fürchtet, Blanchet könnte sich davonmachen und einem seiner Feinde erzählen, was er weiß.« Nun senkte er
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