Die Schreckenskammer
können, dass sie erfolgreich sind, nicht nur aus Gründen des Stolzes, sondern um die Kosten der Untersuchungen und Behandlungen dieser Kerle rechtfertigen zu können. Ich weiß, ich würde gern glauben, dass unsere Bemühungen, Sexualstraftäter zu rehabilitieren, erkennbaren Erfolg und Nutzen haben können. Aber ich bin mir nicht so sicher. Die traurige Wahrheit sieht so aus, dass das Ergebnis immer dasselbe bleibt, egal wie man die Statistiken liest: Die Rückfallquote bei Tätern, die Sexualverbrechen an Kindern verüben, ist beängstigend hoch. Laut einer jüngst veröffentlichten Studie liegt sie bei fünfzig Prozent.«
»Das hätte ich auch geschätzt. Wir haben immer dieselben Typen, die solche Sachen tun.«
»Ja. Immer dieselbe traurige Geschichte. Aber wir versuchen immer, sie besser aussehen zu lassen. Ich habe vor kurzem erst einen Artikel in einer Zeitschrift für forensische Psychiatrie gelesen, der sich für eine Neudefinition von Rückfälligkeit aussprach. Der Autor behauptete, die fünfzig Prozent seien übertrieben, weil sie die Wiederholungsquote von Tätern beschreiben, die seit mehr als zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen sind. Der Autor zieht die Fünf-Jahres-Statistik vor – hier ergibt sich eine Quote von dreißig Prozent, die wohl irgendwie leichter zu verkraften ist.«
Ich versuchte zu verstehen, schaffte es aber nicht, wie eine Wiederholungsquote von dreißig Prozent je hinnehmbar sein könnte.
»Das ist aber eine große Verschiebung in nur fünf Jahren.« Mehr fiel mir dazu im Augenblick nicht ein. Aber Erkinnen war in Fahrt.
»Im Wesentlichen bedeutet das, dass die Fähigkeit des Sexualstraftäters, seinen Triebzwang zu kontrollieren, in mehr als der Hälfte der Fälle irgendwann zusammenbricht, und das wiederum heißt, je mehr Zeit verstreicht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ersttäter wieder zuschlägt.«
Er beugte sich über den Tisch, obwohl der Kellner uns längst unser Essen gebracht hatte und niemand sonst in Hörweite war. »In Wahrheit ist es noch viel trauriger. Die tatsächliche, absolute Quote dürfte noch viel höher sein als fünfzig Prozent, weil wir die Männer außer Acht lassen, die ihr Verbrechen wiederholen, aber nicht gefasst werden. Und Sie müssen auch in Betracht ziehen, was ich zuvor kurz erwähnt habe – die meisten der Studien versuchen zu beweisen, dass eine Behandlung die Wiederholungswahrscheinlichkeit von Ersttätern beeinflussen kann. Jeder, der bereits einmal rückfällig geworden ist, bleibt in diesen Studien außen vor. Deren Wiederholungstaten tauchen in den Statistiken also nicht auf. Und leider ist es auch so, dass nicht alle Opfer von sexuellen Belästigungen den Mut haben, zur Polizei zu gehen, deshalb bleiben auch diese Fälle unberücksichtigt.«
Es war so deprimierend, das alles zu hören, weil ich nach Hause gehen und darüber nachdenken würde. »Gibt es eigentlich auch gute Nachrichten?«, fragte ich.
»Ja, ein paar schon. Es gibt Anzeichen, dass Sexualstraftäter, die während der Haft behandelt werden, weniger zu Wiederholungen neigen. Weniger ist vielleicht nicht das richtige Wort. Später ist wahrscheinlich präziser. Bei denen, die ihre Tat irgendwann wiederholen, und wie wir bereits wissen, ist das eine ganze Menge, ist nach einer Behandlung die Zeitspanne zwischen Entlassung und Rückfall länger.«
»Na, das ist doch immerhin ein Anfang«, bemerkte ich beinahe sarkastisch. »Streckt die Arbeitsbelastung.«
Er kicherte leise. »Sieht so aus.« Dann wurde er wieder ernst.
»Aber ich sage Ihnen jetzt eins, und das ist meine feste Überzeugung: Egal, womit wir diese Kerle bombardieren, sie werden es wahrscheinlich wieder tun. Ich glaube, die meisten der führenden Psychologen, die sich auf die Untersuchung von Sexualstraftätern spezialisiert haben, würden darin übereinstimmen, dass diese Kriminellen von ihren Triebzwängen nicht wirklich geheilt werden können. Sexuelle Gewalt kann durch aggressive Behandlung und Therapie bis zu einem gewissen Grad kontrolliert werden, aber der Drang wird immer in diesen Männern schwelen, und wir können nur hoffen, ihn einzudämmen. Aber früher oder später bricht er sich wieder Bahn.«
»O Gott. Warum?«
»Wir haben keine Ahnung. Sie lesen das Buch, nicht?«
»Ja.«
»Es erklärt sehr ausführlich, warum diese Kerle diese Sachen machen. Natur contra Kultur, biologische Faktoren, all das.«
»Hilft mir aber nicht viel. Es ist ja nicht so, dass mein Täter
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