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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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runterwandern.«
    »Leck mich!« Mit einem verächtlichen Blick wählte sie die
erste Alternative.
Ich machte keinen Versuch, sie zu begleiten. Sie ging mit dem
leicht x-beinigen, wiegenden Gang eines jungen Mädchens, das
die letzten fünf Jahre alle Sportstunden geschwänzt hatte. Nicht
mal ein alter Penner hätte, gegen den Wind und bergauf,
Schwierigkeiten gehabt, sie wieder einzuholen. Aber ich hatte
das Gefühl, daß sie meine Gesellschaft nicht mehr sonderlich zu
schätzen wußte.
Als ich bei der Zeitung ankam, fragte ich an der Rezeption
einen höflichen Herrn mit sehr gepflegtem, grauem Bart und
einem aufgeschlagenen Besucherprotokollbuch vor sich nach
Holger Skagestøl.
»Werden Sie erwartet?«
»Nein, leider nicht.«
»Und Ihr Name?«
»Veum.«
Er wählte eine interne Nummer, bekam Anschluß und vermittelte sehr effektvoll mein Anliegen.
Danach sah er zu mir auf. »Skagestøl fragt, worum es geht.«
»Seine Tochter.«
Das bahnte mir den Weg. Der Pförtner gab mir einen Besucherausweis aus Plastik, den man an den Jackenaufschlag
steckte und informierte mich, in welche Etage ich mußte. Als
ich oben ankam, stand Holger Skagestøl vor dem Fahrstuhl und
wartete auf mich.
»Veum? Der Privatdetektiv? Was haben Sie mit Torild zu
tun?« bellte er, noch ehe sich die Tür hinter mir wieder geschlossen hatte.
»Ihre Frau hat mich engagiert, um nach ihr zu suchen.«
»Was?« Er sah mich mit einem Gesichtsausdruck an, als sei
das das absolut Lächerlichste, was er jemals gehört hatte. »Na
ja, dann kommen Sie mal mit rein.«
Ich folgte ihm durch einen langen Korridor mit viel zu greller
Deckenbeleuchtung, die wie ein Symbol für die Lichtstärke
wirkte, mit der die Tätigkeiten dort drinnen das Leben außerhalb
des Hauses durchleuchteten. Und es war sicher nicht ganz
ausgeschlossen, daß da oben noch ein paar tote Fliegen herumlagen, kleine Schönheitsflecken auf der Lampenpracht.
Holger Skagestøl war ein magerer, schlaksiger Mann, über
einsneunzig groß. Seine hellbraune Hose wurde von einem
strammen Ledergürtel an ihrem Platz gehalten, und der silbergraue Schlips hing locker geknotet über dem weißen Hemd mit
den schmalen blauen Streifen. Seine Haare hatten einen unbestimmbaren Braunton und zeigten völlig weiße Partien um die
Ohren und an der Stirn, wie ein Irish Coffee mit etwas zu viel
Sahne.
Er wies mich in ein schmales Büro mit Aussicht auf die andere
Seite der Nygårdsgate, wo in einem erleuchteten Raum mit
großen Fenstern zur Straße eine Gruppe jung gebliebener Frauen
eine Mischling aus Gymnastik und Ballettübungen ausführten.
»Wir können das hier benutzen«, sagte er, wie um zu unterstreichen, daß er mich nicht in sein eigenes einlud. »Nehmen Sie
Platz«, fügte er hinzu und zeigte auf einen Stuhl gegenüber dem
Schreibtisch.
Bevor er weitersprach, betrachtete er mich mit einem milden
Kopfschütteln. »Ich selbst habe die Polizei angerufen, aber
Sidsel … Nun gut.«
»Sie haben sie also jetzt als vermißt gemeldet?«
»Nicht offiziell. Man hat schließlich seine Beziehungen. Ich
habe mich umgehört, sozusagen, und habe angeregt, daß die
Angelegenheit mit gewisser Aufmerksamkeit behandelt wird.«
»Die Angelegenheit?«
»Ja? Daß Torild von zu Hause weggelaufen ist, natürlich!«
»Weggelaufen? Finden Sie es angebracht, es so zu formulieren?«
»Ja, wie sollte ich es denn sonst nennen?«
»Und wohin ist sie weggelaufen, glauben Sie?«
Er leckte sich über die schmalen Lippen. »Na ja, das weiß ich
nicht.«
»Aber Sie machen sich doch Sorgen, oder nicht?«
»Doch, natürlich, ich sagte doch gerade, daß ich die Po …
Was wollen Sie eigentlich?«
»Hören Sie, Skagestøl, ich habe einen Auftrag von Ihrer Frau,
und vorläufig sammle ich Puzzleteile, um einen Eindruck von
Torilds Leben zu bekommen, mit welchen Freundinnen sie
zusammen war, wo sie oft hinging und so weiter. In dem
Zusammenhang bin ich davon ausgegangen, daß ihr Vater …«
»Ja, ja, was ich am wenigsten brauchen kann, ist eine Predigt;
davon hatte ich zu Hause mehr als genug. Also, was wollen Sie
wissen?«
»Tja, was können Sie mir denn über Ihre Tochter erzählen?«
»Erzählen? Worauf wollen Sie hinaus? Ihre Lebensgeschichte?
Die haben Sie ja wohl von Sidsel zu hören bekommen, denke
ich?«
Ich fühlte, wie sich meine Bauchmuskeln verknoteten und
mußte mich anstrengen, meine Stimme in einer ruhigen Tonlage
zu halten. »Erzählen Sie einfach! Egal was.«
»Na ja, sie …« Er sah aus

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