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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Hügellandschaft von Sunnhordaland. »Jetzt hol ich die
Morgenzeitung rein – meine eigene Zeitung, Veum – und habe
jeden Tag gleich große Angst. Ich bekomme die Osloer Zeitungen auf den Schreibtisch, sobald sie da sind, und ich habe
Magenschmerzen, jeden Tag, aus Furcht davor, was drinsteht,
welche Bilder sie ausgesucht haben. Einfach nur seine eigene
Tochter, das Bild von deiner eigenen Tochter, in Serie wie ein
Logo oben auf den Nachrichtenseiten zu sehen -! Zum Kotzen!«
»Das hört jetzt auf, wo sie Hagavik festgenommen haben. Ein
Fall, der aufgeklärt ist, hat nicht den gleichen Nachrichtenwert
wie ein unaufgeklärter.«
»Aber er hat noch nicht gestanden, Veum! Das ist ja das
Beschissene! Solange noch kein Geständnis vorliegt, können sie
weiterhin wild drauflos spekulieren – mit ihrem Satanismus und
wer weiß was noch.«
»Oder noch Schlimmerem?«
»Ja!« Er dämpfte die Stimme, und nach einer Pause sagte er:
»Jetzt im nachhinein haben wir ja begriffen, daß Torild – in so
einiges verstrickt war. Drogen …«, er hatte Probleme, das Wort
auszusprechen, »Pr-prosti-tu-tion!« Mit einer schnellen Kopfbewegung, wie ein Vogel, der in der Luft ein Insekt fängt, fügte
er hinzu: »Aber es war der letzte Herbst, daß sie auf die schiefe
Bahn gekommen ist! Nachdem ich die Kontrolle über sie
verloren hatte!«
»Geben Sie Ihrer Frau die Schuld?«
»Ich gebe niemandem die Schuld! Ich sage nur, was Sache ist!
Noch letztes Jahr zu Pfingsten, da war sie … da haben wir sie
draußen auf Radøy in einem Pfadfinderlager besucht –«
»Ich habe davon gehört. Aber nicht Ihre Frau.«
Er sah mich verwundert an. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ihre Frau war nicht dabei, als Sie die Mädchen besucht
haben. Das waren nur Sie und Randi Furubø, haben Sie das
vergessen?«
»Vergessen?« Wieder fuhr er sich mit seiner charakteristischen Handbewegung über die Stirn. »Nein, aber … Was spielt
denn das für eine Rolle?«
»Ein paar Monate später haben Sie sich getrennt.«
Endlich schien er zu verstehen, worauf ich hinauswollte. »Sie
meinen, daß da ein Zusammenhang bestünde, daß … Nein, mal
ehrlich.«
Er drehte sich fast einmal um sich selbst auf seinem Sitz, um
mich davon zu überzeugen, wie sehr ich mich irrte. »Jetzt hören
Sie mal zu, Veum. Punkt eins: Randi und Trond, Sidsel und ich,
wir sind seit Jahren die besten Freunde, wir haben zusammen
Urlaub gemacht, haben Abendessen und Frühstück miteinander
geteilt, Schulreisen zusammen gemacht und so weiter. Trond
und ich sind alte Kumpel, wir teilen alles miteinander. Wenn
sein Auto kaputt ist, dann leiht er sich meins. Ist meins in der
Werkstatt, dann kriege ich seins. Aber nicht unsere Frauen, die
haben wir immer jeder für sich behalten. Randi und ich, wir
hätten zusammen an die Südspitze Italiens fahren können, wir
hätten im Auto oder in Campinghütten übernachten können,
aber es wäre mir niemals in den Sinn gekommen, auch nur daran
zu denken, mit ihr zu schlafen!«
»Wirklich nicht? So unattraktiv ist sie doch nun auch wieder
nicht.«
»Davon rede ich ja auch gar nicht! Aber sie ist Tronds Frau,
verstehen Sie? Wir sind Kumpel!«
»Und Ihre Frau und Trond, haben die genauso hohe Ideale?«
»Sidsel und Trond? Wenn Sie von der Pfingstfahrt reden, da
ging es Sidsel nicht gut, und außerdem mochte sie noch nie
besonders gern Auto fahren, und Trond war irgendwo im Fjell
wandern. Ich weiß es nicht mehr genau. Punkt zwei: Veum.
Sidsel und ich sind nach vielen Jahren langsamer Zermürbung
auseinandergegangen. Es war kein einzelner Vorfall, der die
Trennung ausgelöst hat. Es war nur ein In-die-Tat-Umsetzen –
vor allem von meiner Seite – dessen, daß wir am Ende des
Weges waren, schon längst. Wir waren längst am letzten Schild
vorbei, wenn Sie verstehen, was ich meine? ›Jeglicher Verkehr
über diesen Punkt hinaus geschieht auf eigene Gefahr.‹ Von da
an haben wir riskiert, den ganzen Jostedalgletscher auf den Kopf
zu bekommen. Und Punkt drei: Nichts von alledem hat auch nur
das Geringste mit dem zu tun, was mit Torild passiert ist!«
»Abgesehen von dem, was Sie selbst gesagt haben«, warf ich
ein, »daß Sie aus diesem Grund, also wegen der neuen Familiensituation, keine Kontrolle mehr über sie hatten.«
Er hob resigniert die Arme. »Und dabei bleibe ich. Wäre ich
noch zu Hause gewesen, wäre das nicht passiert.«
Das letztere kommentierte ich nicht weiter. Alle hatten das
Bedürfnis, ihre eigenen

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