Die Schrift an der Wand
Zeugin des Vorfalls?«
»Nein, ich wohne nur hier!«
»Ist etwas von dem hier Ihr Auto, Veum?« fragte Ristesund.
»Das da«, murmelte ich. »Oder was davon übrig ist.«
Er schmunzelte leicht. »Ich hoffe, Sie sind gut versichert.«
»Es ist im Himmel versichert; meinen Sie, das ist gut genug?«
»Hatten sie es auf Sie abgesehen?« fragte Bolstad.
Ich sah mich um und sagte leise: »Ich würde auch darüber
nicht zu laut reden, wo all diese Autobesitzer in der Nähe
stehen.«
»Aber?«
»Ich war vor ein paar Tagen bei Muus und hab ihn von einem
Drohbrief in Kenntnis gesetzt, den ich bekommen habe. Man
könnte sagen, jetzt hab ich einen zweiten gekriegt, mit einem
richtigen Ersttagsstempel drauf.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?«
Ich machte eine vage Handbewegung. »Nicht mehr als vorher.«
Ich spürte Karins Blick auf meinem Gesicht und sah zu Boden.
Sie kannte mich besser als Ristesund und Bolstad.
»Und haben Sie denn nicht gesehen, wer es war?«
»Nein, Herrgott noch mal, es ging so schnell. Ich stieg gerade
aus dem Auto, und dann knallte es. Hätte ich noch im Auto
gesessen, wär auch von mir nicht mehr so viel übrig.«
»Nichts, was dabei helfen könnte, ihn zu identifizieren?«
»Er hatte einen Helm auf dem Kopf.«
»Einen Helm?«
»Und … als ich da hinten in den Büschen lag, hörte ich ein
Motorrad starten.«
Bolstad ging zum Streifenwagen. »Ich sag den anderen Wagen, sie sollen nach einem Motorradfahrer Ausschau halten.
Und gleichzeitig überprüfe ich mal das Kennzeichen von dem
da.«
Bei dem kalten Wetter hatten die meisten Nachbarn ihre
Neugier schon gestillt. Die einzigen, die noch da waren, waren
die beiden unglücklichen Autobesitzer und eine Frau, die, wie
ich vermutete, mit einem von ihnen verheiratet war. Sie standen
da und schüttelten die Köpfe, während sie sich leise unterhielten
und in regelmäßigen Abständen in Karins und meine Richtung
schielten.
Bolstad kam zurück. »Der Sattelschlepper gehört einer Firma
in Åsane. Sie rufen jetzt den Direktor an, um in Erfahrung zu
bringen, ob er möglicherweise gestohlen wurde.«
Ristesund sah mich an. »Sie sollten wohl mal bei der Unfallambulanz vorbeigehen, oder nicht?«
Karin sagte schnell: »Doch.«
Bolstad war derselben Meinung. »Wir können einen Wagen
rufen. Allerdings müssen wir selbst leider noch eine Weile
hierbleiben. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, dann geben Sie uns
bitte Bescheid.«
»Nein, ich muß morgen vormittag sowieso bei euch vorbeikommen. Dann können wir weiterreden.«
»Ruft ihr dann gleich an?« fragte Karin in sorgenvollem Ton.
Ich behielt es für mich, aber es klang, als fiele sie sich selbst ins
Wort.
Bei der Ambulanz stellte man fest, daß ich überraschend
glimpflich davongekommen war. Der Arm war nicht gebrochen,
und mein Kopfschmerz rührte nur von einer leichteren Gehirnerschütterung. Wenn ich es nur ungefähr eine Woche lang ruhig
angehen ließe, würden die Symptome von selbst verschwinden.
Ich nickte nicht mit dem Kopf, denn das tat weh. Ich schüttelte
ihn auch nicht. Und ich sah in alle möglichen Richtungen, nur
nicht zu Karin.
Eine Woche – das war eine ganze Ewigkeit, nach meiner
Zeitrechnung. Und ich hatte eine Verabredung, Donnerstag um
zwölf Uhr, auf dem Polizeirevier.
Sie versorgten die Wunden in meinem Gesicht, wo die Zweige
und Dornen es aufgekratzt hatten, und entließen mich ohne
strengere Ermahnungen wieder ins Leben.
Während wir dastanden und auf ein Taxi warteten, sagte ich:
»Ich glaube, ich fahre heute abend zu mir nach Hause, Karin.«
»Aber warum …«
»Ich habe das Gefühl, daß deine Nachbarn nicht so begeistert
wären, mich wiederzusehen.«
»Darum solltest du dich nicht …«
»Außerdem will ich dich nicht in Gefahr bringen.«
»Würdest du bitte auch mal ein bißchen an dich selbst denken,
ja?«
Das Taxi kam. »Ich komme mit dir«, sagte sie.
Die Taxifahrt nach Hause reichte schon, damit mir wieder übel
wurde. Die Haustür unten war verschlossen. Bei dem Witwer im
Erdgeschoß war es dunkel.
Als ich oben aufgeschlossen hatte, öffnete ich die Tür vorsichtig und sah mich ausgiebig um, bevor ich eintrat. Aber es
standen keine Aufziehautos in der Küche, die sofort durchstarteten, wenn ich mich zeigte.
Als wir auf meinem alten Sofa saßen, 1974 beim Trödelmarkt
der Heilsarmee erstanden, jeder eine Tasse Tee in Händen, sah
sie mich besorgt an. »Du siehst so – verbissen aus, Varg.«
Ich ballte die Faust. »Ich bin
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