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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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blonder Mann mit einem blassen Gesicht sah durch
große, runde Brillengläser zerstreut zu uns auf, als wir hereinkamen. Ich dankte der Sekretärin für ihre Hilfe und versicherte
mich, daß sie auf dem Weg zurück zur Rezeption war, bevor ich
mich vorstellte.
    »Mein Name ist Veum. Varg Veum. Und tu nicht so, als
hättest du den Namen noch nie gehört.«
Er wurde tiefrot und sein Blick flackerte. Bevor er antwortete,
heftete er ihn an meine Hemdbrust. »W-was wollen Sie?«
»Auch der beste Spaß geht irgendwann zu weit, sind wir uns
da einig?«
»I-ich weiß nicht …«
»O doch, du weißt, und wenn du darauf bestehst, kann ich bei
der Polizei anrufen und jemanden mit den entsprechenden
Kenntnissen herbitten, der deinen Computer auseinandernimmt,
kostenlos eine Runde auf der Festplatte dreht und nachsieht, was
er findet. Einverstanden?«
»D-das ist nicht nötig.«
»Nein? Gut. Dann komm mit deiner Geschichte, und mach es
kurz.«
Sein Blick verirrte sich für einen Augenblick zu meinem
Gesicht, lange genug, um sowohl die Schürfwunden als auch das
wütende Funkeln in meinen Augen wahrzunehmen, und fiel
dann rasch wieder herab.
»D-da gibt es nichts zu erzählen.«
»Ach nein. Also dann das Ganze noch mal. Ich kann die
Polizei anrufen und …«
»Ja, ja, ja! Das hab ich kapiert! Es war nur der Alte, der … Er
sagte, er wolle Ihnen eins auswischen.«
»Mir?«
»Ja.«
»Hat er dir erzählt, wer ich bin?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ein alter Kumpel, hat er gesagt.«
»Und er hat die Angewohnheit, alten Kumpels Todesanzeigen
mit der Post zu schicken, was?«
»Das war nur ein Wi-Witz.«
»Ja, ich hätte mich beinahe totgelacht. War das vielleicht der
Sinn der Sache?«
Er sah wortlos in eine andere Richtung.
»Fährt dein Vater immer noch Motorrad?«
»Ja, er … Wieso?«
»Och, ich frag nur mal so … Hab ihn lange nicht gesehen.
Vielleicht sollte ich ihm einen Besuch abstatten, so kurz vor der
Beerdigung, meine ich.«
Er sah auf seinen Monitor, als gäbe es dort ein Versteck, in das
er kriechen könnte.
»Du bist nicht vorbestraft, nehme ich an?«
Er antwortete nicht, bewegte sich aber unruhig.
»Das bleibst du nicht mehr lange, wenn ich noch einen Brief
von der Sorte kriege. Ist das klar?«
Er nickte.
»Und wenn du deinen Vater siehst, dann grüß ihn nicht von
mir. Ich werde den Gruß selbst überbringen.«
43
    Das Wartezimmer von Dr. Evensen war halb voll, aber es saßen
keine jungen Mädchen da. Seine Sprechstundenhilfe sah mich
skeptisch durch eine Glasscheibe vor dem Vorzimmer an. Als
ich zum Fenster trat, schob sie die Luke auf und betrachtete
mich abwartend. Es war eine Frau in den Vierzigern, mit
dunklem, braunem Haar und dem glänzenden Blick einer
Kontaktlinsenträgerin.
    »Ist Dr. Evensen da?«
»Ja, aber wir nehmen keine neuen Patienten an.«
»Ich wollte nur mit ihm reden.«
Sie warf einen Blick auf die wartenden Patienten. »Wie Sie
    sehen, warten schon viele.«
»Sagen Sie Dr. Evensen, daß es um Torild Skagestøl geht.«
»Torild Skage …«
»Schon mal gehört, ja?«
Sie drückte auf ein paar Tasten und sah auf den Bildschirm.
    »Sie ist keine Patientin bei uns.«
»Und Astrid Nikolaisen?«
»Nein. Auch nicht. Worum geht es denn?«
Ich lehnte mich näher an die Luke und dämpfte die Stimme.
»Sie können Dr. Evensen ausrichten, daß ein Mann namens
    Varg Veum hier ist und daß er mit dem Doktor über Torild
Skagestøl, Astrid Nikolaisen und all die anderen reden will. Und
wenn er es vorziehen sollte, nicht mit mir zu sprechen, können
Sie ihm sagen, dann käme ich das nächste Mal in Begleitung der
Polizei.«
    Sie sah mich mit großen Augen an, knallte dann die Luke
wenige Zentimeter vor meiner Nase zu, griff zum Telefonhörer,
drückte eine Taste, wartete einen Moment und begann zu
sprechen.
    Als sie fertig war, sah sie aus, als habe er etwas Häßliches zu
ihr gesagt, und sie öffnete die Luke nur gerade so weit, daß sie
mir ausrichten konnte, Dr. Evensen würde mich empfangen,
sobald er mit der Patientin, die gerade bei ihm war, fertig sei.
    Die anderen im Wartezimmer, die den Auftritt mit mehr oder
weniger offener Neugier verfolgt hatten, sahen mich ärgerlich
an. Eine ältere Frau stand auf, trat an die Luke und pochte an.
Als sie geöffnet wurde, bellte sie: »Was soll denn das bedeuten?
Ich warte jetzt schon seit über einer Stunde!«
    »Ja, es tut mir wirklich leid«, sagte die Sprechstundenhilfe
angestrengt, »aber es ist … Wir sind leider etwas

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