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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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würdig.

    Ein langer Walzer folgte. Hernach eine Quadrille. Und dann wieder ein Walzer ohne Ende. Ákos Milóth genoss den Ball sehr. Emsig schäkerte er im Kreis der Mütter, die durch seine stimmgewaltigen Reden ganz wach geworden waren und herzhaft über seine Garibaldisten-Geschichten lachten, für die der alte Zakata endlich neue Zuhörer fand. Der Erfolg war gewaltig. Er übertraf – allerdings eher durch seine Kehle – selbst Onkel Dani, der, solange er nicht allzu beschwipst war, an solch großen Bällen gewöhnlich den Unterhalter der älteren Damen abgab. Er übertraf ihn auch durch seine Beweglichkeit sowie damit, dass er über die eigenen Erzählungen stets seltsam in Zorn geriet. Dani Kendy beobachtete ihn spöttisch, und in seinem mondän eleganten Ton, den er trotz seiner Verkommenheit bewahrt hatte, warf er von Zeit zu Zeit eine beißende Bemerkung ein, die umso besser ankam, als sein Stottern jeweils die Neugier auf die Pointe steigerte. Die Mütter hatten sich schon lange nicht mehr so gut amüsiert.
    Zakatas Triumph erreichte aber seinen Höhepunkt erst später, gegen Morgen, als eine »Écossaise« folgte. Er hielt das für eine persönliche Angelegenheit, denn in seiner Jugend, als dieser Biedermeiertanz neben dem »Lancier« noch als die große Mode gegolten hatte, war er Vortänzer gewesen. Er geriet in mächtige Aufregung, er trieb jedermann aus den Salons in den Tanzsaal, und da ihn dies allein nicht befriedigte, brach er auch in den Raum jenseits des Treppenhauses ein, wo er Onkel Ambrus mitsamt einigen jungen Leuten mitten im Färbelspiel antraf.
    »Écossaise!«, brüllte er. »Bei diesem Tanz müsst ihr mitmachen, meine Vögelein! Was für ein Schwachsinn, zu solcher Stunde Karten zu spielen. Hört ihr mich, die Écossaise beginnt!«
    »Du steigst den Leuten immer noch nach, du alter Schelm«, erwiderte Ambrus lachend, eigentlich aber erzürnt über die Störung gerade jetzt, da er am Gewinnen war. Dann fragte er die Mitspieler: »Wer geht mit dem Einsatz mit? Ich habe nochmals hundertsechzig Kronen gesetzt. Niemand also? Seid ihr so feig?« Mehr als zwei- oder dreimal konnten sie aber die Karten nicht mehr neu verteilen, denn um ihre Ruhe war es geschehen; der Alte ließ sie nicht in Frieden. Selbst Onkel Ambrus kam gegen Zakata nicht auf, denn dieser schrie unter allen am lautesten. Ob es ihnen passte oder nicht, sie mussten sich doch zum Tanz bequemen.
    Ákos, der jüngste Alvinczy, der Hauptverlierer, hielt beim Hinausgehen Ambrus leicht zurück. »Nicht wahr, Onkel, du hast nichts dagegen, wenn ich nicht gleich bezahle. Jetzt gerade …«
    »Ja, freilich, schon gut«, sagte Ambrus und fasste den großgewachsenen Jüngling gönnerhaft an der Schulter. »Für dich warte ich sogar zwei Wochen lang! Hernach aber sollst du bezahlen, lieber Vetter, denn ich bin keine Henne, die Banknoten legt.« Er lachte breit und ausnehmend herzlich, um dann mit seinem schweren, schwankenden Gang den anderen nachzustampfen.
    Ákos Alvinczy blieb stehen und biss sich kummervoll auf die Lippen. Die Tänzer versammelten sich im Ballsaal bereits zur Écossaise. Kaum aber hatten sie den Tanz eröffnet, als der alte Milóth in ihre Reihen einfiel.
    »Mein Vögelein, nicht so! Das ist falsch, mein Vögelein.« Er riss die Tänzerin, die kleine Iduska Laczók, aus den Armen Gazsi Kadacsays, und an seiner Stelle führte er, auf dem Parkett gleitend, die Figur vor.
    »Rechte Hand, linke Hand, rechte Hand, linke Hand!«, rief er gellend, und mit einer überraschenden Leichtigkeit, die seinem Alter hohnsprach, sprang er, einem Ball gleich, mit seiner Nichte hin und her. Dann übernahm er die Gestaltung ganz. Idus ließ er am Ende der von Mädchen gebildeten Reihe stehen, er lief zurück zu den übrigen Paaren, von denen zwei immer das wiederholten, was zwei Paare zuvor schon getanzt hatten. Er dirigierte und hielt sie in Bewegung, er kommandierte und stieß sie schwungvoll weiter, bis er jedermann durch den Saal getrieben hatte. Und er ordnete auch die anderen Figuren. »La Coquette! La souris!«, verkündete er brüllend, er klatschte und ermunterte – nie hatte bei diesem gezirkelten Tanz ein so munteres Leben geherrscht. Und als er schließlich zu Ende ging, umarmte und drückte er die kleine Nichte an sich, küsste sie zweimal mit seinem großen, nassen Schnurrbart, der, einem Schwamm ähnlich, von seinen Wangen alle Schweißtropfen aufgesaugt hatte. Das Mädchen war wohl nicht entzückt, doch er, der gute

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