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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Nachtessen, als die Musik aufspielte, brauchten sie nicht einmal zu flüstern. Wickwitz umkreiste langsam das Thema. Zu Beginn sprach er mit rührenden Worten über seine Mutter. Über die Armut der Familie. Dann berichtete er – bloß ein bisschen schönfärberisch – vom Auftritt, der sich im Juni zwischen ihm und dem Obersten abgespielt hatte. Er erzählte, dass er wegen seiner Schulden Dodó habe zur Frau nehmen wollen. Er hätte sie auch heiraten können – gewiss doch –, er wäre schon längst ihr Ehemann, nichts würde mehr fehlen, und es wäre mit ihm nicht so weit gekommen, er wäre nicht das, was er heute ist: ein Schwein. Doch da habe er Judith erblickt, sich in sie tödlich verliebt und deshalb die Sache mit der anderen nicht über sich gebracht. Das sei ihm zum Verhängnis geworden, und darum werde er unter die Räder kommen. Er sei denn auch bereits zugrunde gegangen und am Ende. All dies sagte er stockend und unter sehr langen Pausen. Seine Miene blieb dabei nichtssagend, wie gewöhnlich, nur seine großen braunen Augen blickten womöglich noch melancholischer und trauriger. Hin und wieder brach er ein Stück Brotrinde entzwei, nahm einen Schluck aus dem Glas, verschlang ruhig einen Bissen, und dann fuhr er in seiner Rede fort. Jemand, der ihn nicht hörte, hätte meinen können, er erzähle von einem uninteressanten Sportereignis. All dies spiegelte sich nur im Mädchen wider, in ihrem gespannten, zu Marmor erstarrten Gesicht, obwohl auch sie auf sich selbst genau achtgab; manchmal aß sie ein wenig, oder sie ließ ihren Blick den Saal entlanggleiten, um ihn dann wieder ihrem Nachbarn zuzuwenden, bei dessen Worten ihr Herz immer heftiger schlug. In letzter Verzweiflung, fuhr Wickwitz fort, da er sonst seinen Offiziersrang und damit jede Hoffnung, Judith wiederzusehen, verloren hätte, habe er jene ehrlose Tat begangen. Er habe Dinóra Wechsel unterzeichnen lassen. Nur so sei es möglich geworden, Geld zu beschaffen und sich beim Regiment zu retten. »Nicht wahr, jetzt verachten Sie mich?«, fragte er, als er so weit gekommen war, und er heftete seine Samtaugen auf das Mädchen.
    »Nein, ich habe Verständnis für Sie«, antwortete Judith.
    Das war die wichtigste Probe gewesen. Würde das Mädchen beim Namen Dinóra nicht rebellieren, dann war alles in Ordnung. Dann könnte er sie hinbringen, wohin es ihm beliebte. Wie die Steinmauer beim Hindernisritt: Hatte man sie erst einmal hinter sich … Als er das günstige Ergebnis sah, redete er weiter. Nun musste er Judith einschärfen, all dies auch nicht andeutungsweise vor jemandem zu erwähnen. Das war ein Leichtes. Sonst, so sagte er, müsste er untergehen. »Denn was ich getan habe, ist ehrlos, eine Schändlichkeit. Sollte man es erfahren, erschieße ich mich. Dabei wird man es erfahren. Gegenwärtig bezahle ich nur die Zinsen, aber demnächst … und dann wird alles bekannt. Hierfür wird man mir überall die Tür weisen. Und dies zu Recht. Ein so nichtswürdiger Mann wie ich kann nicht Ihr Gatte werden!« Er sagte dies mit der gleichen steinernen Miene wie zuvor, doch innerlich lächelte er. Ausgezeichnet, wie die Frau dies hinnahm! Gut, sehr gut. So wird es gehen …!

    Das Nachtessen ging zu Ende. Alle brachen auf, durch das Tor hindurch zurück auf die erste Etage. Abády, zusammen mit Dodó, folgten nach. Sie befanden sich gerade unter dem Tor, als die Kirche auf dem Hauptplatz zehn Uhr schlug, vielleicht nur eine oder zwei Minuten später als die Kirche von Monostor, der Adrienne in ihrem Zimmer lauschte.
    Als sie zuunterst bei der Treppe vor der Klapptür ankamen, wo Abády am Morgen Adriennes Hand geküsst und sich mit dem Gefühl des ihn überflutenden Glücks aufgerichtet hatte, verspürte er einen Stich ins Herz. Das Luder, sagte er sich wieder, das Luder! Jetzt lacht sie mich zu Hause aus, jetzt triumphiert sie! Sie meint, mich zu martern, und das bereitet ihr Freude. Nun denn: Nein! Sie soll ihre Freude nicht haben! Ich will mich just gutgelaunt vergnügen! Wenn es sein muss – Champagner gibt es genug! Und ich werde tanzen, viel tanzen, damit man es ihr erzählen kann … damit sie hört, dass es ihr nicht gelungen ist, mich zu quälen.
    So kam es, dass er, kaum waren sie oben angelangt, Dodó gleich in den Ballsaal führte und den Csárdás mit ihr so ausgelassen durchtanzte, dass selbst Onkel Ambrus, der mit der kleinen Dinóra neben ihnen das Tanzbein schwang, ihm anerkennend zunickte, als fände er, Bálint sei seiner

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