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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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konnte ihn deutlich sehen. Er saß beinahe liegend, die langen dünnen Beine hochgestellt übereinander, allein und stumm da. In der Linken hielt er die Kette seiner Taschenuhr, die er in gleichmäßigem Takt vor sich baumeln ließ: hinauf in die Luft und wieder zurück. Er war damit schon seit längerer Zeit und ununterbrochen beschäftigt. Jedes Mal, wenn die Uhr emporschwang, schloss er das linke Auge, während er das rechte zusammenkniff, als wollte er die glänzende goldene Uhr aufs Korn nehmen.
    Der kleine Istike Kamuthy wich in der Hitze der Debatte rückwärts in die Mitte des Rauchsalons, gerade unter den Kronleuchter. Seit er bei den letzten Wahlen beinahe Abgeordneter geworden wäre, trat er viel selbstbewusster und vernehmlicher auf. Auch er gehörte zur Säbelpartei. Krächzend und mit Lispeltönen trug er seine Argumente vor: »Fagt man unf, daff der Fäbel nicht ernfthaft ift? Ich leugne daf! Daf leugne ich! Wie kann man fo etwaf gerade jetzt behaupten, wo man in Peft den alten Keglevich abgeftochen hat! Auf der Ftelle war er tot! Maufetot! Maufetot! Ift daf nicht ernft genug?« Er stellte sich bei jedem Ausrufezeichen auf die Zehenspitzen, als wollte er damit das Gesagte betonen. Bálint sah den kleinen Istike zwischen den zwei offenen Türen gut. Er fand ihn äußerst merkwürdig. Das Bild reizte ihn gerade zu einem Lächeln, als er bemerkte, dass sich Uzdy hinter Kamuthy plötzlich aufsetzte und blitzschnell unter seine Jacke griff.
    »Dieses eine ist ernsthaft«, ertönte scharf seine leidenschaftslos spöttische Stimme, dann fuhr seine Faust hoch, und ein Schuss ging aus dem Taschenbrowning los, den er umklammert hielt. Und mit lautem Knall fiel gleich eine elektrische Birne aus der Mitte des Kronleuchters herab. Ein richtiger Regen von Glassplittern ergoss sich über den Kopf Istikes, der erschrocken wegsprang.
    »Zum Teufel! Verrückter Kerl! Das schlägt dem Fass den Boden aus! Solch ein Blödsinn!« Diese und andere Sprüche ähnlicher Art, mit Lachsalven gemischt, erschallten von der Kaminseite. Uzdy indessen lachte nur höhnisch zurück, und wie jemand, der ganze Arbeit geleistet hat, lehnte er sich im Fauteuil wieder zurück. Eine echt satanische Freude glühte jetzt in seinen Augen.
    Tihamér Abonyi und Gazsi Kadocsay waren im Augenblick des Schusses hereingekommen. Tihamér wich beim Knall zwar ein wenig zurück, kam aber dann kopfschüttelnd näher heran. Die Seriosität seines Amtes – der Sekundant sollte sich immer besonnen und vornehm betragen – verbot ihm jede Aufregung. Mit verschlossener Miene blickte er um sich, und als er Abády am Bibliothekstisch erblickte, ging er mit bedächtigen Schritten und ohne jede Eile auf ihn zu. Erst nachdem er sich neben ihn gesetzt hatte, sagte er so viel: »Dieser Pali Uzdy, bitte sehr, ist ein gefährlicher Mann! Wahrhaftig, bitte sehr, dass man in einem Klub so herumschießt, bitte …!« Er nahm sein Taschentuch hervor und trocknete sich die Stirn.
    »Das ist bei ihm Brauch, er trägt immer eine Pistole bei sich. Doch er schießt hervorragend, dieser Verrückte!«, lachte Baron Gazsi, der mit ihm hereingekommen war und sich jetzt neben ihm an den Tisch lehnte. Bogácsy erschien auf der anderen Bibliothekseite und rief Pityu hinaus. Abonyi erhob sich, grüßte zeremoniell in ihre Richtung, und dann kam er, Abády zugewandt, zur Sache.
    Er teilte ihm die Entscheidung des Ehren- und Waffengerichts mit. Der Beschluss lautete auf gegenseitige Beleidigung, als Waffe war der Säbel bestimmt, mit voller Bandage und bis zur Kampfunfähigkeit. »Dafür, bitte sehr, ist es heute Nachmittag schon zu spät, darum haben wir uns auf morgen früh acht Uhr geeinigt. Hast du je gefochten, bitte? Wenn du trainieren möchtest, begleite ich dich gern, jetzt ist erst Viertel nach vier, wir könnten beim Fechtmeister einen Assaut machen.«
    »Viertel nach vier?«
    Bálint stand auf. Er blickte auf die Wanduhr. Es war tatsächlich nicht später.
    »Nein. Ich danke dir sehr. Ich gehe lieber spazieren.«
    »Soll ich vielleicht mitkommen?«, fragte der gute Tihamér.
    »Ich gehe zuvor nach Hause … zu meiner Mutter. Nein, danke, du brauchst mich nicht zu begleiten.«
    Abonyi verbeugte sich leicht und schüttelte Bálint innig die Hand. »Oh, ich verstehe, verstehe sehr, ich verstehe ganz und gar!«
    Er glaubte, Bálint wolle sich verabschieden. Er irrte sich nicht. Bálint wünschte sich in der Tat so etwas wie einen Abschied. Aber nicht von der Mutter, nein. Er

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