Die Schrift in Flammen
geschleudert hat, dann ist das laut dem ›Code Duverger‹ schon eine Tätlichkeit, und im Vergleich ist deine Antwort, ›Na, na, na, pass auf‹, viel weniger. Bitt’ sehr, ich will mich nicht einmischen, aber ich glaube, dass man die Dinge so auffassen muss, so ist es für dich auch viel vorteilhafter, und ich bin als dein guter Freund in erster Linie darauf bedacht.«
Abonyis wässrige Glotzaugen blickten Bálint tatsächlich mit großer Zuneigung an. Er gehörte zu jenen nicht seltenen Ehemännern, die sich zu den gegenwärtigen oder früheren Liebhabern ihrer Frauen unwillkürlich hingezogen fühlen.
»Aber er hat es nicht gegen mich geworfen. Und er hat es nicht einmal geworfen, sondern dem Glas mit der Faust einen Schlag versetzt, und darauf flog es zufällig an mir vorbei. Ich fühle mich wirklich nicht beleidigt.«
»Bitt’ sehr, du fasst das so auf, weil du ein perfekter Herr bist, aber die Leute sehen die Dinge anders. Schon seit dem Mittagessen spricht jedermann hierüber.«
So verhielt es sich tatsächlich. Jemand hatte um die Mittagszeit die Kunde verbreitet, dass in der Nacht zuvor etwas Ernsthaftes vorgefallen sei. Wer die Nachricht überbracht hatte, ließ sich nicht mehr feststellen. Zu Beginn war es nicht mehr als Gerede. Doch später, als sich im Klub mehr und mehr Herren einstellten, Onkel Ambrus, der alte Dani, der kleine Kamuthy und andere, je mehr jene befragt wurden, die in der frühen Morgenstunde dabei gewesen waren, umso klarere Gestalt gewann der »Fall«, und schwerwiegende Einzelheiten ergaben sich in umso größerer Zahl. Prompt bildeten sich zwei Parteien. Die eine bekannte sich dazu, dass Pityu das Glas absichtlich gegen Abády geschleudert habe, während die andere den Standpunkt vertrat, er habe es bloß weggeworfen, worauf Abády mit den Fäusten über Pityu hergefallen sei. Manche leugneten, dass er Kendy angegriffen habe, behaupteten aber, dass seine Worte – »Na, na, na, pass auf!« – so viel bedeuteten wie: Pass auf, sonst gebe ich dir eine Ohrfeige! Denn worauf sonst sollte er aufpassen, wenn nicht darauf, dass er ihm eins auswischen würde? Dann wieder gab es solche, die eine Beleidigung durch das »Pass auf« in Abrede stellten, denn diese Worte hätten sich nur darauf bezogen, dass das gefüllte Glas umgestürzt sei; eine Beleidigung dagegen bedeute das »Na, na, na!«. Hätte er »Nanana!« gesagt, dann wäre das völlig harmlos gewesen, ein mit lauter Stimme, stockend herausgebrachtes »Na, na, na!« dagegen sei anstandswidrig, so dürfe man nur mit dem Gesinde reden.
Nur wenige fanden sich, die sich trauten, von einem unschuldigen Fall zu sprechen, und sie wurden gleich zum Schweigen gebracht. Der alte Dani habe ja auch gleich die Ernsthaftigkeit der Beleidigung erkannt. Angetrunken, gewiss, aber er habe sie trotzdem erkannt! Darum habe er gleich »Une affaire d’honneur« gerufen, Ehrensache.
Die Disputanten trugen die verwickelte Angelegenheit Major Bogácsy vor, der im Casino nach Bálint angekommen war. Bogácsy, Major im Ruhestand, wirkte seit Jahren als Beisitzer im Waisenamt des Komitats. Bei Ehrenhändeln galt er als große Autorität. Das war sein Beruf, nicht die Betreuung der Waisenkinder. Kaum ein Duell, bei dem er nicht Sekundant gewesen wäre. Er übte das geradezu wie ein Handwerk aus. Es passte auch zu seinem Äußeren, denn er trug ein Monokel auf dem rechten Auge; klemmte er das Glas ein, so verzerrte sich sein Gesicht. Dazu kam ein gewaltiger Schnauzer, der nicht allein aus sich selbst bestand; Haare des Backenbarts, eigens dazu gezüchtet, ergänzten ihn zu einem großen Teil, damit er umso fürchterlicher wirkte. Beim Anblick seiner Stupsnase, des runden Gesichts und des mächtigen Schnurrbarts hätte man meinen können, er sei ein alter Kater, der irgendwo eine Wurst gestohlen hat.
Er stellte sich vor den Kamin, stütze sich leicht darauf, lehnte sich mit herausstehendem Bauch zurück und hörte sich in dieser Haltung die verschiedenen Versionen an.
»Die Sache ist so noch nicht klar genug. Mein allzeit gültiger Grundsatz lautet: Lasst uns eine friedliche Lösung suchen. Péter Kendy soll vor allen Dingen eine Erklärung verlangen. Was nachher folgen muss, hängt von der Antwort ab.« So hieß sein Verdikt.
Man überbrachte dies Pityu, der sich im Billardzimmer befand. Er erinnerte sich zwar an die ganze Angelegenheit überhaupt nicht (dazu war er letzte Nacht viel zu betrunken gewesen), aber er tat, wie man ihm riet. Da Ádám
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