Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
tief eingedrückt, offenbar hatte sich kurz zuvor noch jemand darangelehnt, obwohl sich Adrienne nicht auf dieser Zimmerseite, sondern von einem unbequemen Kanapee in der linken Ecke erhoben hatte.
    Sie kam Bálint mit langen Schritten entgegen und reichte ihm beide Hände. Freude und vielleicht auch eine Art von Bitte um Verzeihung lagen in ihren Augen. Der Mann küsste ihr ein wenig zeremoniell die Hand, dann gingen sie zurück zur Garnitur in der Ecke, und die Frau nahm wieder ihren vorigen Platz ein. Bálint saß ihr gegenüber.
    »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte Adrienne, lächelte ein wenig und fügte hinzu: »Ich hatte beinahe gehofft, dass Sie kommen würden.«
    »Ich wollte Sie noch einmal sehen, bevor … bevor ich allenfalls verreise. Wollte Ihr Bild, die Erinnerung an Sie mitnehmen – als Wegzehrung. Es gibt so wenige, die uns etwas bedeuten … Und ich wollte mich vergewissern, dass jemand da ist, der vielleicht manchmal, wenn auch höchst selten, aber gelegentlich doch an mich denkt.«
    Er sprach in sehr ernstem Ton, ein wenig elegisch und ganz ruhig. Und so setzte er seine Reden fort, wiederholte oft, was er schon gesagt hatte, denn er war in der Tat sehr befangen. Er täuschte nun nichts mehr vor, gestaltete nicht mehr geschickt eine schauspielerische Rolle. Die Worte, die sich meldeten, brachen aus großer Tiefe hervor, und so ordneten sie sich zu leicht entsagenden Sätzen, die ein wenig auch nach Abschied klangen. Die Möglichkeit der Trennung hatte in seiner Phantasie so lebendige Gestalt gewonnen, dass ihn dieses Gefühl nun ganz erfüllte und von der Lust des Jägers, mit der er sich hierher auf den Weg gemacht hatte, nichts übrig geblieben war. Immer leiser klangen seine Worte.
    »Darum dachte ich, vielleicht fände ich Sie zu Hause. Vielleicht würden Sie allein sein. Um Ihnen zu sagen, um nochmals, in aller Ruhe, ohne fiebrige Leidenschaft zu sagen, damit Sie es erfahren und später auch wissen sollen, wie sehr ich … wie sehr ich Sie liebe … Denn das, was ich Ihnen bereits gesagt habe, ist wirklich wahr. Und ich dachte mir: Jetzt, jetzt wird sie es mir eher glauben, wenn ich es jetzt sage. Und damit ich Ihre Hand, diese geschmeidige Hand fassen kann, nein, nicht gewaltsam, sondern in großer Demut …«
    Die Hand Adriennes leistete keinerlei Widerstand, vielmehr glitt sie, als er nach ihr griff, ihm wie ein Geschenk entgegen. Er streichelte sie lange, ohne den Blick anderswohin als geradewegs auf das Gesicht der Frau zu richten. Und seine Worte rieselten weiter, wie beim Singen von Psalmen.
    Die Dunkelheit verdichtete sich, Licht glühte nur noch in den onyxgelben Augen, als leuchteten sie von innen her. Von draußen erklang Glockenschall, oder vielleicht kam es Bálint nur so vor. Es kam ihm so vor, als Adrienne sich leicht nach vorn neigte und ihre Lippen es aussprachen: »Auch ich liebe Sie …«
    »Danke«, flüsterte Bálint, »danke.«
    Selbstvergessen schauten sie sich lange in die Augen, ohne zu sprechen. Ihre Gesichter rückten einander immer näher. Abády, beinahe in Ekstase, hatte keine Erinnerung mehr an den bösen Schlachtplan, den er beim Aufbruch geschmiedet hatte, sie unter dem Eindruck seines Duells schlau zu einem ersten Kuss und einer ersten Umarmung zu bewegen. All dies war aus seinem Bewusstsein geschwunden, und stattdessen erfüllte ihn ein tiefes, sehnsuchtsvolles Gefühl, beinahe wie Todeserwartung. Und es war nicht der Schürzenjäger, der aus ihm sprach, sondern der versteckte Wille der steten Natur, als er nach langem Schweigen flüsternd sagte: »Geben Sie mir einen, einen einzigen Kuss, bevor ich fortgehe.«
    Adriennes Blick erzitterte für einen kurzen Augenblick; dann aber hob sie das Kinn und reichte ihm die Lippen. Bálint küsste sie. Lange küsste er ihren geschlossenen Mund, und während er die Frau in der Taille leicht umarmt hielt und zu sich zog, erhob er sich langsam mit ihr, um sie fester an sich drücken zu können. Doch als sie sich aufrichteten, stieß ihn die Frau sanft von sich.
    »Gehen Sie, bitte«, man vernahm nur diese wenigen Worte. »Gehen Sie, bitte!«
    Stumm gingen sie zur Tür, die Hände ineinander geflochten, als wären sie Geschwister. Als Bálint sich zum Handkuss neigte, brach Adrienne das Schweigen: »Wenn … wenn … Sie morgen nicht verreisen sollten, wie werde ich das erfahren?«
    »Dann komme ich zu gleicher Stunde wieder«, antwortete Bálint. Denn das Wesen des jagenden Männchens, seit dem Betreten des

Weitere Kostenlose Bücher