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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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mit Slawata zusammentreffen, vielmehr galt es, sich irgendwie hier an die Arbeit zu machen. Jetzt im März konnte er in die Angelegenheiten im Hochgebirge nicht tiefer eingreifen. Jede Art von Planung nahm in seiner Phantasie gleich feste Formen an, und so tauchten nun schnell die bisher noch ungewissen Umrisse des Kulturhauses und der Genossenschaft von Lélbánya auf. Sie gestalteten sich so lebhaft, dass am Nachmittag, als er Adrienne besuchte, seine Projekte schon feststanden. Nach dem ersten Kuss und der ersten Umarmung begann er darüber zu sprechen. Er setzte seine Vorstellungen umso lebhafter und anschaulicher auseinander, als sich Adrienne zu seiner Überraschung für diese Themen ebenso interessierte wie für literarische oder philosophische Theorien.
    Er blieb lange bei ihr. Sie saßen vor dem Feuer auf Kissen und lehnten sich an die zu Bergen geschichteten Kissen. Er legte seinen Arm brüderlich um die Frau, und da er in sehr sachlichem Ton vortrug und die verschiedenen Formen des genossenschaftlichen Systems erläuterte – den Raiffeisen-Typus, eine Organisation mit unbegrenzter Haftung, das französische Muster, beruhend auf Geschäftsanteilen, Vor- und Nachteile sowie Hinderungsgründe bei den einen und anderen –, so rückte Adrienne von ihm nicht weg, sondern lehnte sich vertrauensvoll an ihn und verblieb in der Umarmung. Auf diese Weise bildeten sich alle Einzelheiten heraus. Frau Abády besaß in Lélbánya ein Herrenhaus mittlerer Größe, hier würde er die Genossenschaft unterbringen, zwei Räume dürften dazu reichen, der Rest sollte dem Landwirteverein und der Bibliothek gehören, und vor dem Haus ließe sich eine Mustergärtnerei anlegen.
    Er legte diese Dinge ausführlich dar, wiewohl sich der Plan erst jetzt, in dem zunehmend dunklen Raum, neben dem lodernden Kaminfeuer, während er den warmen Körper der Frau unter der Achselgrube fühlte, zu einem lebendigen Ganzen zusammenfügte. In seinem Geist konzentrierte er sich auf diese Fragen, sie erfüllten ihn. Zugleich aber schlummerte in ihm auch der jagende Mann nicht. Wie in der Bewegung eines Dompteurs, der den schlafenden, friedsam wirkenden Löwen vorsichtig streichelt, so wanderten Bálints Hände manchmal, strichen liebkosend Adriennes Arm oder Fuß entlang. Die Hände dienten ihm auf solche Weise, ohne bewussten Befehl, während er redete, über seine sozialen Pläne sprach und wie er sie verwirklichen und wen er dazu gewinnen wolle.

    Einige Tage später, bevor er in seinen Wahlkreis verreiste, kam Kristóf Ázbej in die Stadt, um bei der Mutter vorzusprechen. Bálint erkundigte sich bei ihm, wem und für wie lange das fragliche Haus in Lélbánya vermietet sei.
    »Einen der Bewohner, einen Tischler, werde ich eben jetzt am Georgstag hinauswerfen, weil er keinen Heller bezahlt. Auch dem anderen, einem Pelzjacken-Schneider, werde ich demnächst kündigen, denn auch er zahlt unordentlich, und dazu richtet er ständig Schaden an und ist ein Dreckfink. Denn ich, gnädiger Herr, sehe nichts nach, ich hüte die Interessen meiner Herrschaft besser als die meinen, denn das ist mein einziger Gesichtspunkt.«
    »Und wie viel beträgt die Miete der beiden?«, unterbrach ihn Bálint.
    Ázjbej blickte mit seinen vorquellenden Rosspflaumen-Augen zu ihm auf. Warum fragt er das, überlegte er. Lasst uns vorsichtig sein. Und so antwortete er unbestimmt: »Sie mag um die fünf- bis sechshundert Kronen sein … So genau habe ich es nicht im Kopf … Für den Garten schulden sie noch zusätzlich etwas … Aber sie bezahlen natürlich nicht. Wenn Ihnen beliebt, werde ich von Dénestornya Meldung erstatten.«
    »Gut. Im Übrigen ist es nicht dringend. Vorläufig wollte ich nur wissen, ob man die Mieter gegebenenfalls auswechseln könnte. Ich bitte Sie deshalb, das Haus endgültig niemandem zu vermieten, bevor wir nicht darüber gesprochen hätten.«
    »Oh, bitte, selbstverständlich, es ist ohnehin so, dass die gnädige Frau Gräfin alle Verträge unterschreibt. Sie allein, ich nicht, sie allein!«
    Und während er sich mit dem Rücken zur Tür zurückzog, verbeugte sich seine gnomenhafte Gestalt immer wieder: »Belieben immer über mich zu verfügen. Ich empfehle mich Ihnen zu Diensten!«

    Abády verreiste mit dem Morgenschnellzug. Er stieg in den Wagen nach Szászrégen, den man in Kocsárd umhängte. Er hatte sich ein wenig verspätet und darum vergessen, eine Zeitung zu kaufen. Im Abteil Nummer sechs gab es einen einzigen Mitreisenden. Es war ein

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