Die Schrift in Flammen
Wird er nun die Csángós in der Moldau ›Rumänen ungarischer Sprache‹ nennen? Kann man denn die wichtigsten Begriffe so mir nichts, dir nichts vertauschen? Und die ungarische Öffentlichkeit macht sich das zu eigen, diese aus der Luft gegriffene Terminologie? Wir sind Rumänen und werden nie etwas anderes sein.«
»Das darf auch niemand verlangen. Der Staat kann aber mit Fug und Recht fordern, dass alle, die hier leben, seine Sprache lernen«, sagte Bálint.
»Versteht sich. Das bringt nur Vorteile, und dagegen sage ich auch nichts«, und Timișan lächelte nun erneut mit heimlichem Spott. »Ich habe sie ja gelernt, wie Sie sehen, Herr Graf. Ich bin an einer ungarischen Universität Doctor iuris geworden, und als Anwalt arbeite ichziemlich erfolgreich. Allerdings saß ich zweimal im Staatsgefängnis, aber das ist ein ganz gemütlicher Ort!« Der Alte lachte; gewiss dachte er an den Memorandum-Prozess, der in seinem Leben ein herausragendes Ereignis bildete, und an die nachfolgenden Urteile.
»Auch Sie, Herr Graf, müssen anerkennen, wie ungerecht es ist, dass es in der Verwaltung, die den unmittelbaren Dienst an der Bevölkerung zur Aufgabe hat, vorkommen kann, dass der Notar, der Stuhlrichter oder der Steuereintreiber die Sprache des Volks nicht verstehen. Und dass die Leute aus dem Volk ihre Sprache vor Gericht nicht oder nur mithilfe eines Dolmetschers verwenden können. Dabei wurden diese Dinge sogar vom Nationalitätengesetz in Aussicht gestellt; die Ungarn hatten es ohne uns verabschiedet, denn für uns gingen dessen Zusagen zu wenig weit.«
Bálint war mit der Frage nicht ausreichend vertraut, um eine sachgerechte Antwort zu geben. Er lenkte darum die Konversation auf ein anderes Gebiet.
»Ich glaube«, sagte er, »dass wir uns einander seelisch und wirtschaftlich nähern müssten, die gemeinsamen Interessen suchen, bei denen wir einverstanden sein könnten. Das Übrige ergäbe sich, wenn es möglich wäre, einander in gegenseitigem Vertrauen zu begegnen. Da haben wir Siebenbürgen. Wir wie Sie gehören hierher. Dies ist unser gemeinsames, engstes Vaterland. Auf diesem Gebiet gibt es vieles, was wir gemeinsam verlangen könnten, mehr Verständnis, mehr Aufmerksamkeit für die lokalen Interessen. Budapest soll nicht alles an sich ziehen.«
»Die Beendigung der Union ist einer unserer Programmpunkte.«
»Ich weiß. So weit gehe ich nicht; die staatsrechtlichen Fragen sind ohnehin immer die heikelsten. Lassen wir sie ruhen. Das Gesetz ist stets nur ein Rahmen; sein Vorzug oder seine Schädlichkeit hängt davon ab, womit es durch das Leben ausgefüllt wird. Das beste Beispiel hierfür ist die englische Verfassung. Seitdem ich heimgekehrt bin, sehe ich, dass besonders auf wirtschaftlichem Feld manche Benachteiligung besteht; es stiftet viel Schaden, dass Siebenbürgen eher eine Kolonie als ein gleichberechtigter Teil des Landes ist. Im Dienst an dieser Sache, sehen Sie, könnten wir einander finden.«
Timișan hörte Abády ernst zu.
»Interessant, dass ein ungarischer Großadeliger solche Dinge bemerkt. Sehr interessant. Aber tun lässt sich kaum etwas. Die jüdischen Banken und die jüdischen Großunternehmen in Budapest würden es niemals zulassen. Darum ist all das, was Sie sagen, Herr Graf, nur eine Fata Morgana.«
Bálint hätte gern den Genossenschaftsgedanken erläutert, mit welchem Mittel man das Kreditwesen, die Produktion und den Verbrauch organisieren könnte, aber der Zug näherte sich bereits Ludas.
»Ich muss hier aussteigen, sodass ich Sie nicht überzeugen kann«, sprach er lächelnd, »aber wenn Sie erlauben, Herr Abgeordneter, will ich Sie bei Gelegenheit gern aufsuchen, und wir könnten das Thema fortsetzen. Soviel ich weiß, wohnen Sie in Klausenburg?«
»Ja«, antwortete Timișan, »und es wird mich stets sehr freuen, die Ehre zu haben.«
Abády verbrachte zwei Tage in Lélbánya. Den ersten Nachmittag füllten Besprechungen aus, zu denen der Bürgermeister und der Notar die Notabeln des Feldstädtchens, die zwei örtlichen Priester, den Kreisarzt, den Apotheker, den Eigentümer der Dampfmühle und einige Bürger eingeladen hatten; diese lauschten den wunderschönen Plänen ihres Abgeordneten. Sie nickten dazu eifrig, in großer Eintracht, und stimmten allem bei, was er sagte. Er nahm auch das Nachtmahl in ihrer Gesellschaft in der »Großen Gaststätte Zum Stern« ein, vorzügliches Paprikahuhn und dazu Flammkuchen wurden vorgesetzt, und da die Gäste einem recht starken
Weitere Kostenlose Bücher