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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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kann das gar nicht sein, aber es wird immer nur das geschehen und nur das, was auch Sie wollen, so viel, wie Sie mir gewähren, und nicht mehr, das verspreche ich Ihnen.« Er bückte sich tief, und durch den seidenen Rock hindurch hauchte er unerwartet einen Kuss auf das Knie der Frau, als küsste er ein Heiligenbild; und als er sich erhob, erklärte er demütig: »So küsst man in den antiken Tempeln das Knie der Gottheiten.«
    In der Tür wandte er sich nochmals um: »Ich verspreche: immer nur so viel … wie Sie erlauben … Und auch dafür danke ich unendlich.«
    Er sagte das so aufrichtig und empfand es in dieser Minute auch so innig, dass ihm Adrienne glücklich zulächelte.

    Tags darauf trat er bei Adrienne zu gleicher Stunde ein. Den Auftakt machten sie wieder mit einem Kuss. Doch Adrienne war voller Sorgen, und kaum hatte sich Bálint neben ihr niedergelassen, als sie ihm ihren Kummer auch schon mitteilte: »Stellen Sie sich vor, Judith will heiraten. Und wen? Denken Sie sich, den ›Bikfic‹. Ist das nicht Wahnsinn, ein verrückter Einfall, einen so uninteressanten, tierischen Mann zu heiraten?« Und sie berichtete, dass am Abend zuvor ihre Schwestern bei ihr gewesen seien und dass sie sich mit Judith beinahe zerstritten habe wegen des Versuchs, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. »Kann sein, dass sie auch heute Nachmittag herkommen, weil ich jetzt – zum ersten Mal im Leben – mit meiner Mutter gleicher Meinung bin, und sie schickt die Schwestern zu mir. Zu mir! Sehr unangenehm. Sie meint, ich sei die Ursache, sie spricht von meinem schlechten Einfluss, dabei – wirklich … und dass ich sie auf den Bällen nicht besser behütet hätte! Ja, wie soll man sie behüten? Und dieser Wickwitz hat eine Visage … und Judith sagte mir nichts, fragte mich nichts … Die Sache ärgert mich furchtbar, und die arme Judith tut mir so leid. Denn das ist, nicht wahr, am Ende doch eine schreckliche Wahl!«
    In Bálint wurde all das lebendig, was er über Baron Egons Affären wusste, alles, was Dinóra erzählt hatte. In seiner ersten Regung hätte er am liebsten empört aufgeschrien, doch er bremste sich schnell und hielt sich zurück, denn es war ja verboten, die kleine Dinóra in dieser Sache zu kompromittieren – nein, kein Wort darüber –, und so vermochte er nur verwirrt zu antworten: »Ja, das ist eine sehr schlechte Wahl, unwürdig, das etwa sagt mir mein Gefühl … Das ist nicht der Mann, der … wiewohl ich ihn kaum kenne … aber er ist nicht derjenige, den sie sich wünschen könnte … und … zumindest ist er sehr leichtsinnig, das weiß ich.«
    »Oh, das wäre noch nicht schlimm! Aber dass nach allem, was ich sie gelehrt habe, auch meine Schwestern dieser … dieser Sache erliegen sollten, so wie …« Sie hatte »wie ich« sagen wollen, verbiss es sich aber und fuhr umso heftiger fort: »Sehen Sie, dagegen lehne ich mich auf!«
    »Ist sie in ihn sehr verliebt?«, fragte Bálint.
    »Verliebt! Verliebt! Was weiß ein Mädchen davon? Allerlei Einbildungen! Nichts gibt es, was sie nicht glaubt … Wo ich doch den beiden alles erklärt, sie so sehr ermahnt habe, ja nicht auch so zu heiraten …« Das »wie ich« blieb auch diesmal unausgesprochen. Die Vorstellung allein ließ aber Adrienne schon erschauern. Danach schlug sie einen sachlicheren Ton an. »Am klügsten ist es in der Tat, wenn sie für eine gewisse Zeit verreisen. Heute Nacht fahren sie alle nach Wien, nur mein Bruder bleibt da. Das ist das Beste. Sie kann sich dort in Theatern, Konzerten und Museen zerstreuen, sieht etwas Neues, eine andere Welt, ein anderes Leben, sie kann zu sich kommen. Die Arme … Ja, so ist es am besten. So wird es am besten sein. Obwohl es mir leid tut, sie jetzt zu verlieren. Ich bin so allein.«
    »Arme Addy«, sagte Bálint, ergriff langsam ihre Hand und küsste sie voller Zuneigung. Dann versuchte er, sie an sich zu ziehen, sie aber winkte ab, denn die Tragik ihrer eigenen Ehe stand im Augenblick zu lebhaft vor ihren Augen, als dass sie hätte vergessen können. Der Kummer über Judiths Schicksal, obwohl er verschiedenen Quellen entsprang, bedrückte sie beide, und so wechselten sie nur das eine oder andere Wort; wohl tat einzig das Vertrauen, das sie verband. So saßen sie beinahe wortlos auf den Kissen, als die Türe aufging und unerwartet Judith, Margit und das alte Fräulein Morin eintraten.
    Bálint erhob sich, um sie zu begrüßen, doch auch um sich zu entfernen. Bevor er sich aber hätte verabschieden

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