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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Wein von der Siebenbürger Heide zusprachen, gab es denn auch viele Trinksprüche, manches Anstoßen mit den Gläsern und Hochrufe. Am nächsten Morgen wurde Bálint bereits von einer Masse von Bittstellern erwartet. Sie trugen die verschiedensten Anliegen an ihn heran. Der eine bat um das Recht auf Alkoholausschank, der andere um die Bewilligung zur Anpflanzung von Tabak; da wünschte sich einer gebührenfreien Unterricht für seinen Sohn im Enyeder Kollegium, dort wiederum suchte jemand eine Stelle als Straßenwächter in dieser Stadt oder aber als Abdecker in Vásárhely; wieder andere erbaten sich die Beförderung eines Schwagers bei der Eisenbahn, eine Intervention beim Steuereintreiber,einen Rat wegen der Erkrankung der Kuh »Kormos« oder die Entlassung des Jungen Pista vom Militärdienst; und mannigfache Beschwerden ertönten gegen den Stuhlrichter, gegen Lehrer, Dorfvorsteher und andere Amtspersonen oder gegen die bösen Nachbarn. Vorgetragen wurde all dies in größter Zuversicht, wie wenn Bálint der Herrgott selber wäre, und jeder schloss seinen Spruch mit den Worten: »Sie, gnäd’ger Herr Graf, kostet das ja nur ein Wort.«
    Abády hörte ihnen geduldig zu, er notierte sich jeden Wunsch, sagte aber allen: Er werde der Sache nachgehen, ob dies aber etwas fruchte, das könne er wirklich nicht sagen. Das Letztgesagte glaubte ihm natürlich keiner; ein jeder blieb fest überzeugt, dass ein Abgeordneter nur zu wollen brauche.
    Um zehn Uhr fand eine Versammlung statt, und zwar in dem einstöckigen Bau, den die Leute von Lélbánya großspurig »Stadthaus« nannten. Es war ein geräumiges Zimmer mit vier Fenstern, wo man Bálint am hinteren Ende eines wachstuchbedeckten Tisches Platz zu nehmen hieß. Er saß zwischen dem Schultheiß-Bürgermeister und dem Notar, mit dem Rücken zur Wand, an der oben in goldfarbenem Rahmen ein Öldruckporträt Franz Josephs hing, während man auf der Seite mit Reißnägeln den Fahrplan der Eisenbahn im Tal des Maros befestigt hatte. Ihm gegenüber befand sich das Publikum.
    Auch die Frauen einiger Notabeln, besonders die jungen, waren mitgekommen. Festtäglich gekleidet, da sie dem Herrn Abgeordneten zu gefallen hofften, saßen sie mit ihren Männern in der ersten Reihe, und sie lächelten ermunternd zurück, sooft er sie ansah. Hinter ihnen hatte die Menge die Plätze nach der genauen Rangordnung des Provinzlebens eingenommen; zuhinterst füllten junge Burschen den Raum dicht, nachdem sie stampfend, drängelnd und stoßend hereingeströmt waren.
    Die Beratung begann. Abády erläuterte die Idee der Genossenschaft. Er umriss die Kraft, die der organisierte Zusammenhalt bedeutet. Er berief sich auf die Sachsen, die schon seit langem ein mächtiges genossenschaftliches Leben lebten. Er zitierte die Daten der landesweiten Bewegung, und nachdem er den Versuch gemacht hatte, die Dinge ein wenig volkstümlich zu erklären, was nicht gerade glänzend gelang, brachte er einige schwungvollere Sätze heraus und schloss die Ausführungen mit den Worten: »Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!« Darauf erschallten einige Hurrarufe, viele waren es nicht, aber immerhin etwas. Hernach hielt der ungarische Priester eine sehr schöne Ansprache, und da sich sonst niemand mehr zu Wort meldete, stellte der Bürgermeister fest, dass die Konferenz die Idee begrüße und erkläre, zuerst eine Kreditgenossenschaft und später eine weitere für den Verbrauch gründen zu wollen. Nun erhob sich erneut Bálint. Er bot der Genossenschaft das im Ort stehende Herrenhaus der Familie an, und er ging gleich zum nächsten Gegenstand über, zum Landwirteverein; er legte dessen Vorteile, Wichtigkeit und Nutzen dar, er stellte eine unentgeltliche Volksbibliothek in Aussicht, und er entwarf auch den Plan, um das Haus zum Nutzen aller eine Mustergärtnerei anzulegen.
    Einige Stimmen riefen auch jetzt hurra, aber der Beifall war noch spärlicher als zuvor, und der Präsident erklärte, da sich niemand mehr zu Wort meldete, dass alles einstimmig akzeptiert worden sei; er beauftrage, sagte er, eine vorbereitende Kommission, las die Namen der Mitglieder von einem Zettel vor, dann dankte er dem Herrn Abgeordneten für seine emsige Arbeit und schloss die Versammlung. Da alles nach kaum anderthalb Stunden schon vorbei war, schlug Bálint vor, das angebotene Haus gemeinsam zu besichtigen. Die wichtigeren Leute machten sich also dorthin auf den Weg, zum größten Teil jene, die tags zuvor zusammen mit Abády zu Nacht gegessen

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