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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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verbeugte sich im Sitzen tief vor ihr: »Verzeihen Sie! … Bitte, verzeihen Sie …«, stotterte er und machte den Versuch zu lügen: Er sei nur ausgerutscht, habe sich festhalten wollen, nur zufällig, rein zufällig … Er habe nichts wollen, wirklich, sie solle ihm glauben, nichts wollen …
    Adrienne stand unbeweglich da und maß ihn mit aufgewühltem Blick. Sie gab keine Antwort, und erst nachdem der junge Mann sie langatmig um Entschuldigung gebeten und dabei überaus demütig gesprochen hatte, setzte sie sich wieder auf den Schafwollteppich. Doch sie nahm nicht in seiner Nähe Platz. Sie setzte sich ihm gegenüber, das Kinn trotzig vorgestreckt, die Beine unter sich, und man spürte, dass sich jeder ihrer Muskeln erregt spannte, zum Wegspringen bereit. Ob sie auch nur das mindeste von dem glaubte, was Bálint gesagt hatte? Wahrscheinlich nicht. Denn nachdem Abády zu unpersönlichen Themen übergegangen war und sie sich darüber etwa eine halbe Stunde lang ein wenig stockend unterhalten hatten, reichte ihm Addy beim Aufbruch wohl die Hand, doch auf die Frage, ob er am nächsten Tag wieder vorsprechen dürfe, gab sie zur Antwort, dass sie in der Stadt Besuche machen müsse und nicht zu Hause sei.
    »Kann ich Sie von einem Ort zum anderen begleiten, damit ich Sie wenigstens sehe?«, ließ sich Bálint vernehmen.
    »Gut, das können Sie tun. Aber ich weiß noch nicht, welche Reihenfolge ich wähle und wann genau ich die Besuche beginne …«
    So trennten sie sich an jenem Nachmittag.

    Bálint ärgerte sich sehr. Er machte sich schwere Vorwürfe. In ihm kämpften auch jetzt zwei Arten der Beweisführung. Die eine schmähte ihn, dass er sich so feige, willfährig und ungeschickt benommen habe: Fasstest du sie hart an, ohne dich um etwas zu kümmern, dann wärees dazu gekommen! Aber du zögerst immer. Und wenn sie nachher grollt, wenn schon, irgendeinmal söhnt sie sich doch aus. Und wenn nicht, was verschlägt’s? Zumindest hat sie dir einmal angehört! Die andere Instanz klagte ihn schon wegen des Versuchs an, und sie war die stärkere, denn er konnte vor sich selbst nicht leugnen, dass es eine hässliche, freudlose und für sie beide erniedrigende Sache geworden wäre. Auch im Widerspruch zu seinem ganzen Wesen, zu der psychologisch forschenden, verständnisvollen Zuneigung, die keine Liebe ist – nein, keineswegs! –, aber doch eine wahre und tiefe, sehr tiefe Wertschätzung und … ja, Bewunderung und Sympathie, richtig, eine innige Sympathie. Und was wäre es wert, wenn er sie dieses eine Mal bekommen hätte? Dieses trotzige, seiner Natur nach zur Auflehnung neigende Wesen würde ihn nie mehr empfangen, ihm die Schande, den Zwang gegen ihren Willen nie verzeihen. Nie würden diese schönen Nachmittage mit ihrem wunderbaren, ein wenig herben Zauber wiederkehren, diese unwahrscheinlichen Nachmittage und die kleinen Freiheiten, welche diese liebesunkundige Frau erlaubte, die beinahe nur geschwisterlichen Umarmungen und das liebkosende Streicheln, Küsse auf den Hals, die Schultern, über dem Knie auf ihr Kleid, auf ihre sich öffnenden vollen Lippen, viele, viele Küsse, bei denen sie kühl und unbefangen blieb, während sich in ihm die Sehnsucht bis zum Zerreißen steigerte wie die gespannte Sehne des Bogens. Auch das war eine Wollust, wundersam und bisher unbekannt, die ihn zu elektrisieren schien, als wirkte sein ganzer Körper wie eine Batterie; es war die seltsame, ein wenig perverse Wollust der ewigen Erwartung. Bei anderen Gelegenheiten war er, nachdem er sich von Adrienne verabschiedet hatte, dank diesem Gefühl beinahe trunken, berauscht und glücklich … diesmal empfand er nur Traurigkeit und Verstimmung. Eine einzige Absicht beherrschte ihn lebhaft: den Weg zurück ins Paradies zu finden, selbst wenn er die Frucht vom Baum der Erkenntnis nie würde pflücken dürfen.

    Tags darauf saß er schon am frühen Nachmittag an der Ecke des Mátyás-Platzes, an einem der Tische auf dem Gehsteig vor dem Hotel New York. Er hatte den Cappuccino, der seine Präsenz rechtfertigte, nach draußen bestellt. Schönes, sonniges Wetter herrschte, wiewohl der Frühling noch kühl war, sodass die Stühle rund um ihn einstweilen von niemandem eingenommen wurden. Bálint aber vermochte von hier den Hauptplatz besser zu überblicken. Er wartete lange. Endlich entdeckte er sie, wie sie mit ihren weit ausholenden Schritten nahte. Er eilte ihr entgegen. Addy schien gutgelaunt, nichts war von ihrem Zorn des letzten Tages zu

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