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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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es sich wohl anders überlegt. Nicht dass er vom Glück verwöhnt gewesen wäre. Nein, im Großen und Ganzen verlor er eher. Die paar tausend Kronen, die er in Reserve behalten hatte, damit er sich während des Winters nicht an seinen Gutsverwalter zu wenden brauchte, waren bald zerronnen. Doch er kannte bereits aus früheren Zeiten einige Wucherer. Bei ihnen hatte er Darlehen aufgenommen und sie beim Erreichen der Volljährigkeit ohne Feilschen zurückbezahlt. Die Wucherer hatten sich gewiss erkundigt, was, wo und wie viel er besaß, und vorläufig liehen sie ihm leicht Geld, freilich zu beträchtlichen Zinsen. Gewann er also, dann hatte er reichlich Geld, wenn er aber verlor, dann rundete er seinen Besitz mit einer ansehnlichen Summe auf, damit ihm etwas über das Nötige hinaus übrig blieb.

    Als Vortänzer bewährte er sich ausgezeichnet. Er vermochte große Begeisterung zu entfachen. Er erfand viele neue Figuren beim Kotillon und bereicherte dessen etwas veraltete Traditionen mit merkwürdigen Einfällen. Er führte auch mehrere neue, feine Csárdás ein; die Zigeuner hatten vielleicht noch nie so vorzüglich gespielt wie unter seiner Herrschaft. Er beschäftigte sich auch mit den Müttern und tat dies ergeben verständnisvoll. Er befasste sich nicht nur mit den höchsten Damen, die einen vornehmen Haushalt führten und Bälle gaben – mit ihnen besprach er am vorangehenden Nachmittag jede Einzelheit –, sondern hatte manches schmeichelhafte Wort auch für die einsamen Mütter, die ihre zweitrangigen Töchter ohne Hoffnung in die große Welt ausführten und, sich traurig fügend, ganze Nächte neben dem Buffettisch verbrachten oder an der Wand des Ballsaals dösten. László wurde sehr populär.

    Klára hatte er seit der Jagd nicht wiedergesehen. Zu den Weihnachtsfesttagen hatte man ihn zwar nach Simonvásár eingeladen, aber er war nicht hingegangen. Dies darum, weil er spürte, dass Fürstin Ágnes, seine Tante, ihn nur lustlos um seinen Besuch gebeten hatte. »Komm zu uns, wenn du nichts Besseres zu tun hast« – das klang nicht gerade ermunternd. Die Einladung, wie er fühlte, war formeller Art, und die Beleidigung, als Frau Kollonich ihm so herrisch die Tür gewiesen und die Abreise befohlen hatte, brannte noch schmerzhaft. Rasch entschlossen gab er folglich zur Antwort, dass er zu den Festtagen nach Siebenbürgen reisen und die bis Neujahr dauernde kurze Woche wegen seiner Angelegenheiten dort verbringen müsse. Am Ende machte er dann auch diese Reise nicht, sondern blieb einsam in Budapest. Nachträglich bereute er die Absage, aber sie war nicht mehr zu ändern. Den Heiligen Abend verbrachte er allein in der hässlichen kleinen Junggesellenwohnung; lange blieb er auf, saß neben einem winzig kleinen Weihnachtsbaum und rief sich die vielen Weihnachtsfeste in Erinnerung, die er seit seiner Kindheit bei den Kollonichs verbracht hatte. Er beschwor das Bild Kláras, wie er es verschiedene Male gesehen hatte.
    Klára als kleines Mädchen mit offenem Haar, absatzlosen Schühlein und weißen Socken, Klára mit Zöpfen als eine schrecklich dünne Heranwachsende, Klára letztes Jahr, auch damals noch etwas mager, ihre Augen waren wunderbar, wie sie in weißem Spitzenkleid mit schrägen Schultern vor dem Glanz des Weihnachtsbaums gestanden war. So lebendig stellte er sich alles vor! Er hatte im ohnehin düsteren Zimmer seiner Garçonnière jedes Licht gelöscht und am Kunstbäumchen auf dem Tisch jeweils nur eine Kerze brennen lassen, damit sein selbstquälerischer Heiliger Abend umso länger dauerte. Er hatte das Bäumchen vor sich auf das Reißbrett gestellt, das als Schreibtisch diente, setzte sich dicht daneben und starrte in das eine kleine Kerzenlicht. So pflegte er den eigenen Schmerz.
    Eine Kanne Tee und eine Flasche Rum standen neben dem Bäumchen; sie sollten ihn betäuben, ihm zu schlafen und zu vergessen helfen. Viele Tassen trank er. Endlich war auch die letzte Kerze niedergebrannt. Stickiger Wachsgeruch erfüllte den Raum. László suchte mit unsicherer Hand den Lichtschalter. Er leerte die letzte Tasse – darin gab es wohl schon mehr Rum als Tee – und legte sich zu Bett. Tief und schwer, traumlos schlief er – sehr lange, beinahe bis zur Mittagszeit am nächsten Tag. Als er aufstand und den Tagesraum betrat, brannte dort das Licht immer noch. Er hatte am Abend vergessen, es zu löschen.

    Der Heilige Abend war die dunkelste Stunde dieser Schmerzenszeit gewesen. Das Kartenspiel, die Bälle und

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