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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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aber er ist schon vor dir ins Spiel eingetreten.«
    Wuelffenstein suchte nach dieser Erklärung nichts mehr zu erzwingen, denn das Monokel war aus Graf Nesztis Auge gefallen. Somit ließ sich gegen den Entscheid keine Berufung einlegen. Frédi ging auf die andere Seite hinüber, wo er mit beleidigter Visage Platz nahm. László tat die Intervention Szent-Györgyis sehr wohl. Er beschloss, just weiterzuspielen. Er nahm sich vor, mit den zwei ihm verbliebenen Fünfhundertern einige Male die Bank zu halten; sollte er dabei einmal Glück haben, dann, so dachte er, wäre er aus der Klemme. Wenn aber nicht, dann würde er diese fünftausend ohne größere Erschütterung aus den siebentausend begleichen, die er bei der Regelung seiner früheren, noch aus der Zeit seiner Unmündigkeit stammenden Schulden auf die Seite gelegt hatte.
    Zénó verlor den nächsten »Coup«, sodass László sein Geld gleich hätte zurückgewinnen können. Der Gedanke durchfuhr ihn, aber sein Gesicht zeigte nicht die geringste Regung. Seine früh erworbene Selbstdisziplin brachte ihm jetzt großen Nutzen. Er blieb einzig darauf bedacht, nicht zu erkennen zu geben, dass es ihm naheging, wenn er verlor. Seine Bewegungen sollten ruhig, seine Stimme unverändert bleiben. Er kam ziemlich bald an die Reihe, die Bank zu halten, denn das Glück neigte sich jetzt der »Ponte« zu. »Contrepasse herrscht«, bemerkte jemand ebenso überflüssig wie ein anderer zuvor. Lászlós Bank gewann indessen dreimal. Wäre er jetzt aufgestanden, hätte er sich mit einem Verlust von nur fünfhundert Kronen zurückziehen können. Er halbierte jedoch die Bank, so wie er das andere hatte tun sehen, und ließ zweitausend draußen, obwohl inzwischen ein Diener heraufgekommen war, um zu melden, dass eine Kutsche nun bereitstehe. Man übertrumpfte ihn mit neun. So verblieben vor ihm nur 2500. Damit setzte er das Spiel fort. Manchmal machte er nun auch schon Einsätze. Er gewann, und er verlor, stand aber eher auf Gewinn. Später, als er wieder einmal die Bank hielt, hatte er eine starke Serie. Nachdem man sie unterbrochen hatte, verblieben ihm daraus etwas mehr als zwanzig Tausender. Doch er stand auch jetzt nicht auf, er harrte aus. Es war angenehm, da zu sein, vergnügt und nicht im Geringsten aufgeregt. Die Jetons bedeuteten für ihn nur Zahlen, keine Werte. Es war wirklich ein Spiel: Man schiebt vier oder fünf glänzende Perlmuttscheiben vor sich hin, verteilt die Karten. Man wird geschlagen, in Ordnung, man schiebt die Scheibchen hinüber, wo sie hingehören, das ist alles. Neue Einsätze, Neuverteilung der Karten. »Sechs! Genug? Gut.« Man zieht den Gewinn ein. Und keinen Zweifel gibt es, das Ganze ist klar und offensichtlich. Ist man »Vorhand«, dann kommt man zweifellos vor den anderen an die Reihe. Alle sind gleich, alle gleichgestellt. Das Glück allein entscheidet. Wer mehr hat, gewinnt; wer weniger, verliert. Wichtig ist nur eines: der richtige Stil. Leidenschaftslose Miene und gleichförmige Gesten. Ein Spiel, eine im Voraus bestimmte Rolle – wie auf der Bühne. Ja, all dies war überaus angenehm. Und er empfand vielleicht zum ersten Mal im Leben, dass man ihn ohne jeden Vorbehalt akzeptiert hatte.
    László stand schließlich vom Spiel mit etwas Verlust auf; mit derselben Gleichgültigkeit, wie er es gewonnen, hatte er das Erworbene wieder abgegeben. Hätte sich die Spielrunde gegen fünf Uhr nicht aufgelöst, wäre er vielleicht noch länger geblieben, so wohl fühlte er sich und so unwirklich schien ihm, dass die kleinen Täfelchen, die er hin und her warf, Geld, sehr viel Geld bedeuteten. Seinen auf fünftausend lautenden Bon ließ er beim Butler auf die ihm fehlenden 1500 Kronen umkorrigieren und ging nach Hause.
    Der Schneeregen hatte schon aufgehört. Er wurde von einem leichten Frost abgelöst, der den Gehsteig mit gläsernen Nadeln bestreute. Leichten Fußes spazierte er heimwärts. Eine lebhafte Frische erfüllte ihn. Er nahm den Hut ab. Der Weinnebel in seinem Kopf hatte sich schon längst verzogen, aber es tat gut, so die dunkle Ringstraße entlangzugehen, wo sich die spärlichen Lichter mit ihrem Blinken im rußigen Morgen beinahe verloren.

    Er schlief bis zum Nachmittag. Nachdem er sich angekleidet hatte, versuchte er an einer Partitur zu arbeiten. Es ging nicht. Sein Geist war anderswo: bei den Erinnerungen an die vergangene Nacht. Er gab die vergebliche Arbeit auf. Ein verlorener Tag, dachte er, morgen mache ich mich wieder daran. Gegen Abend

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