Die Schrift in Flammen
die gegen die Bank spielten – setzte von da an nur noch Summen in abnehmender Höhe: achttausend, fünf-, drei-, später nur noch ein- bis zweitausend. Sie taten dies zwar widerwillig, denn es entsprach schließlich keinem Anstand, einen großen Spieler, wenn er vom Glück begünstigt war, nichtzu honorieren. Später rückten sie doch mit höheren Einsätzen vor, da sie meinten, sein Gewinnzug müsse früher oder später doch ein Ende nehmen. Er ging aber noch nicht zu Ende. Arsenovics war dabei, nun schon zum achtzehnten Mal zu gewinnen. Man setzte nur noch sehr zögernd gegen ihn. Jedermann war bereits verblutet.
»Pour faire marcher le jeu!«, sprach Neszti Szent-Györgyi und schob mit seinen langen, gepflegten Fingern zwei als Tausender gekennzeichnete Perlmuttjetons in den weiß markierten Kreis. Er blieb damit allein. Zénó gewann wieder.
»Zum neunzehnten Mal macht er es … ich habe es notiert!«, sagte Pray missvergnügt. »Dieser Bunjewatz bringt uns um!« Als Einziger beklagte er sich, dabei hatte er während der ganzen Zeit lediglich eine Hundertkronen-Knochenmünze riskiert und selbst diese zurückgezogen, bevor man die Karten verteilte. Nun sprach er mit Berechnung; er schützte gern vor, dass er zu den Verlierern gehöre. In dieser Minute stellte sich aus dem Stock unten Frédi Wuelffenstein ein. Seine Schritte dröhnten trotz des dicken Teppichs – er war der Meinung, dies sei die englische Art zu gehen; die Ellbogen hielt er dabei steif von sich, und zwar noch übertriebener als sonst, denn er hatte unten über den Durst getrunken.
Er blieb hinter László stehen.
Arsenovics klimperte mit den Jetons, die er eingestrichen hatte, und während er das ein wenig schon verfettete, hübsche braune Gesicht vorschob, fragte er: »Viertausend, wer will sie?«
Wuelffenstein stieß in diesem Augenblick László an der Schulter an: »Steh auf! Ich will mich hierhersetzen!«
Er sagte es in einem Befehlston. Er sagte nicht »bitte«, sondern warf nur sein »Steh auf« hin, als verfügte er über ihn.
Zorn bemächtigte sich Gyerőffys. Was glaubt der, was er sei? Wofür hält ihn dieser Mensch? Nein, nein! Um keinen Preis würde er aufstehen, möge geschehen, was wolle. Im Bruchteil einer Sekunde durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass er den Sitz nur behalten könne, wenn er sich am Spiel beteilige; sonst wäre er unbedingt verpflichtet, den Platz dem anderen zu überlassen. Deshalb also rückte er zum Tisch vor, klopfte auf den Kreis und sagte: »Bank!« Alle blickten ihn an, so unerwartet kam sein Eintritt ins Spiel und dass er bei einer so hohen Summe »Bank!« gesagt hatte. Dies eine wohlüberlegte, einsilbige Wort flößt eben so viel Ehrfurcht ein. Selbst Wuelffenstein machte vorläufig keine Umstände mehr.
Arsenovics teilte die Karten zu. László legte seine zwei Karten hübsch übereinander und wartete, bis der Bankhalter sprach. Als dieser »Je donne!« sagte, deckte er sein Blatt blitzschnell auf, nicht gemächlich, sondern jäh, so wie er das bei Graf Neszti gesehen hatte. Er hatte eine Sechs. Folglich gab er »Non!« zur Antwort. Arsenovics hatte gleich viel. »En cartes!«, bemerkte jemand treffend, aber überflüssig. László warf die im Spiel schon benutzten Karten – er achtete einzig darauf – genau in das bauchige Ledergefäß, das in der Tischmitte gähnte und das man »panier« – Korb – nannte, da man beim Spiel lauter französische Fachausdrücke gebrauchte. Neue Karten wurden herausgegeben. Die Bank gewann. »Ich bitte um einen Kredit!«, wandte sich Gyerőffy an den hinten stehenden Butler. Nach einigen Minuten lag der Bon bereits vor ihm, er unterschrieb, leerte den Inhalt des kleinen Tabletts auf den Tisch und ließ vier Tausender zu Arsenovics hinübergleiten. »Wünschst du eine Fortsetzung?«, fragte dieser. »Du hast das Recht darauf, droit de suite!« »Nein, danke«, antwortete László.
»Dann steh endlich auf«, meldete sich Wuelffenstein hinter ihm, »ich habe schon gesagt, dass ich mich hierhersetzen will.«
Gyrőffy blickte über die Schulter zurück. Mit zusammengepressten Zähnen, aber ruhig antwortete er: »Ich bleibe.«
»Aber ich habe es vorhin schon gesagt, du machtest da beim Spiel noch gar nicht mit … Das ist mein Platz.«
Erneszt Szent-Györgyi legte sein Monokel ein und unterbrach ihn: »Ein Platz steht niemandem zu, solange er nicht ›passe la main‹ sagt. So lautet die Regel. Und du hast es nicht gesagt. Auch Gyerőffy hat es nicht getan,
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