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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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ging er ins Casino, um seinen Verlust zu bezahlen. Er nahm auch das Nachtessen dort ein. Man machte ihm an einem der Tische, wo schon mehrere saßen, gern Platz. Irgendwie empfingen sie ihn anders als bisher. Man begegnete ihm mit Achtung, fragte nach seiner Meinung über dies und jenes, was man bisher nie getan hatte. Und wenn er sprach, hörten ihm die anderen zu. In ihrem Ton schwang Anerkennung, beinahe Ehrerbietung mit. Denn alle wussten, dass er die Nacht um große Einsätze Karten gespielt hatte. Bekannt war auch, was Graf Neszti beim Aufbruch mit seiner gleichmäßigen, nasalen Stimme über ihn gesagt hatte: »Dieser junge Gyerőffy spielt wirklich schön. Il a un excellent style. Ich habe bei einem Anfänger selten solch ein Formgefühl gesehen.« Dieses Lob indessen bedeutete nur die Vollendung von Lászlós Erfolg, seine in Worten ausgedrückte Festlegung und Offenbarung. Denn die Hauptsache bestand doch darin, dass einzig der Kartenspieler ein richtiger Herr ist. Was denn sonst? Jemand, der vor vielen tausend Kronen einfach »Bank« sagt. Gibt es eine größere, eine herrschaftlichere Geste? »Bank!« Darin steckt alles: Überlegenheit, Wille, Gelassenheit, rascher Entschluss, Mut und vor allen Dingen die Verachtung des schäbigen Geldes. Zumal wenn es jemand schön, mit der nötigen Unbekümmertheit macht! »Bank!« Verliert er, dann schiebt er die Jetons leichthin dem anderen zu und wendet sich nach hinten: »Ich bitte um eine Zigarette!« oder »Lassen Sie bitte den Speisekellner heraufkommen!« Als wäre nichts geschehen. Und wenn er gewinnt, bleibt er ebenso ruhig; er lächelt und brüstet sich nicht, bekundet keine Freude und redet auch nicht mehr als nötig, er spricht nur die geheiligten liturgischen Wörter aus: »Je donne … non … faites vos jeux … les cartes passent …« Oder: »À vous la main …« Und all dies mit der Marmormiene eines Priesters, der bei der Messe »Dominus vobiscum« sagt.
    Und der Kartenspieler ist auch auf andere Weise der größte Herr. Er lebt am besten. Denn dass sein Mittagsmahl hundertzwanzig und eine Flasche Bordeaux sechzig Kronen kostet, das zählt ja nicht. Eine Bagatelle; und es fällt auch nicht ins Gewicht, dass er auch andere bewirtet, wo er doch Nacht für Nacht zehn- bis zwanzigtausend gewinnt oder verliert. Niemand, nicht einmal der vermögendste Mann lebt so wie ein Spieler. Wie lange das dauert, dies ist eine andere Frage. Doch solange es währt, ist er der wirkliche König des Clublebens.
    Niemand hatte das natürlich so klar durchdacht, aber alle empfanden es auf diese Weise. Auch die alten Herren, die sich an Nachmittagen über den »schrecklichen Leichtsinn« der Jugend zu entsetzen pflegten, selbst sie wussten sehr wohl, dass der damalige Luxus im Casino, die hervorragende Küche und die Bequemlichkeit größtenteils dank des Geldes möglich wurden, welches das oben in einem Raum im zweiten Stock vor sich gehende Hasardspiel lieferte, und nicht ihre Tarock- oder Bésigue-Partien.
    László fühlte sich überaus wohl. Er goss sogar eine Flasche Champagner hinunter, was er sich sonst zweimal überlegt hätte, und er wusste den eigenen, von Zalaméry als Reserve gehaltenen Armagnac, den ihm dieser offerierte, mit Kennerschaft zu genießen. László entwickelte sich offenkundig rasch. Als sie später zum Bakk-Spiel hinaufgingen, bedurfte er keiner Ermunterung mehr, um sich hinzuzusetzen. Es verstand sich von selbst. Dass er seinen Kredit wieder in Anspruch nehmen durfte, bewies, dass er bereits bezahlt hatte, was seine Mitspieler vom Tag zuvor mit Hochachtung zur Kenntnis nahmen, und das begründete seinen Ruf.

    Dies also war des Rätsels Lösung, warum László zum ersten Vortänzer hatte vorrücken können. Um die Mitte des Faschings war diese wichtige Stelle vakant geworden. Das Spiel verlieh László das nötige Ansehen und versetzte ihn auch in die Lage, den kostspieligen Beruf auszuüben. Denn überall musste man mit dabei sein, stets als Erster ankommen, man brauchte eine ständige Mietkutsche, viele gut geschnittene modische Anzüge, für die Nächte zumindest zwei Frackhemden, wenn nicht drei, denn nichts Ekelhafteres gibt es als einen verschwitzten Tänzer; und nötig waren Blumenbouquets zu den Picknicks oder den Herrenbällen; zu Letzteren sowie den anschließenden Gelagen mit Zigeunermusik gehörten Champagner und ein gut bemessener Obolus für den Primas der Kapelle. Das alles, versteht sich, kostete viel. Ohne Kartenspiel hätte er

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