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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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stattlichem Wuchs, mit breiten Schultern und der Brust eines Ringkämpfers, doch keineswegs dick. Man behauptete, dass er täglich mit einem Fechtmeister übe, um seine Kondition zu bewahren. Er galt als ein großer Sammler; es hieß, seine Junggesellenwohnung sei ein richtiges Museum, in dem sich nicht nur viele hervorragende alte Kunstobjekte befänden, sondern im Gleichschritt mit der Epoche auch Bilder und Plastiken der besten Meister der Gegenwart, von denen er bereits zu einer Zeit Werke gekauft habe, als ihr Name zum ersten Mal aufgetaucht sei. Wenige Leute nur hatten diese Schätze gesehen außer der einen oder anderen Frau, die aber darüber nicht redeten. Er sammelte nur zum eigenen Vergnügen, nicht um sich zu brüsten. Beim Urteil in der Musik war er Neuem gegenüber stets offen gewesen und geblieben. Wie er in den sechziger Jahren bereits zu den Wagnerianern gehört hatte, so vermochte er nun auch die neueren Werke von Richard Strauss und Ravel zu genießen.
    Links von der schönen Fanny saß Graf Devereux, Nachkomme eines Mannes, der zu den Mördern Wallensteins gehört und deswegen in Ungarn ein Gut zum Geschenk erhalten hatte. So wie dieser liebenswerte Vorfahre mit der Lanze zu töten gewusst hatte, so tötete Alfons Devereux, der kleine Fonsi, mit der Zunge. Er mochte auf vierzig zugehen. In früheren Jahren hatte er im diplomatischen Korps gedient, es aber verlassen – vielleicht darum, weil sein geistreich bösartiges Sprühen von den Vorgesetzten nicht sehr geschätzt worden war. Keiner verstand es wie er, auf so ätzend kuriose Weise Klatsch zu verbreiten, Unziemliches mit so bemäntelter Verständlichkeit zu erzählen. Er war ein kleines, hässliches, affenartiges Männchen und sehr lustig. Dann saß noch György Solymár da, ein Dichter. Sein Name war dem Publikum unbekannt. Dies nicht nur darum, weil er seine wenigen Gedichte einzig in bibliophilen Ausgaben, in kaum hundert Exemplaren drucken ließ, sondern auch aus dem Grund, dass er nicht einzig auf Ungarisch schrieb, sondern auch andere Sprachen benutzte, je nachdem – so meinte er –, wie dies das Thema erforderte. Er verwendete moderne Formen. Im Französischen strebte er Verlaine nach, im Deutschen suchte er Rilke zu gleichen. Er war, kein Zweifel, ein Dilettant, doch von der feinen Art, und in gesellschaftlicher Hinsicht nahm sich das angenehmer aus, als wenn er ein vollwertiger Schöpfer gewesen wäre.
    Zwei Männer gehörten noch zu den Gästen. Der erste hieß Tamás d’Orly, Nachfahre französischer Emigranten, Urenkel des berühmten Baron d’Orly, der während der Revolution in eine reiche ungarische Familie eingeheiratet hatte. Von Beruf war er gar nichts, spielte hingegen ausgezeichnet Klavier. Er war imstande, auch die kompliziertesten Stücke flüssig und präzis vorzutragen. Er tat es ein wenig mechanisch, aber hervorragend. Im Weltreich der Musik sehr bewandert, pflegte er mit schwach perlenden Läufen und mitunter in empfindsamen Harmonien Préludes vorzutragen. Er war ein weltgewandter, weitgereister Mann. Seitdem er sich in die schöne Fanny verliebt hatte, ging er seltener auf Reisen. Der andere Gast war Imre Wárday.
    Szelepcsényi, Devereux, Solymár und d’Orly besuchten Fanny oft am Nachmittag und kamen in der Regel einzeln. Jeder unterhielt sie auf seine Art: der ehemalige Minister zumeist mit Themen aus dem Bereich der Kunst, Devereux mit Witzeleien, d’Orly mit Musik. Solymár wiederum mit einer Schwärmerei, die er in wunderbare Worte kleidete. Wárday dagegen tat nichts dergleichen. Er pflegte die Schwelle des Palais Berédy nur zum Mittwoch-Diner zu betreten, sonst nie – nur allzu verständlich, denn dieses wortkarge, junge Gräfchen verbreitete unendliche Langeweile. Gewiss, er war ein hübscher Mann, gewaschen, gesund und von vorzüglichem Wuchs, doch mit seinen dümmlichen, wässrigen Augen starrte er stets nur vor sich hin und vermochte offensichtlich weder der funkelnd schnellen Konversation und den blitzenden Scherzen zu folgen – er begann immer erst sehr spät zu lachen, nachdem er das allgemeine Gelächter bemerkt hatte –, noch hielt er bei den Ausführungen über Musik oder Kunst mit, die in den Diskussionen so oft zur Sprache kamen. Er verstand etwas vom Ackerbau, denn als einer der wenigen hatte er in Óvár die Wirtschaftsakademie besucht. Von Rüsselkäfern und Grashüpfern, Kunstdünger und Klebergehalt hätte er stundenlang berichten können, aber das war hier nicht gefragt. Deshalb

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